Zur Erntezeit haben nicht nur Landwirt:innen alle Hände voll zu tun. Denn vieles machen sie gar nicht mehr alleine, sondern beauftragen Lohnunternehmer mit der Arbeit auf dem Feld. Das wollte ich mir mal angucken – beim Tagespraktikum.
Morgens halb acht in Deutschland: Es regnet wie aus Eimern und meine Frisur sitzt auch nicht. Vom kurzen Weg zwischen Auto und Werkstatthalle werde ich pitschnass. Mir schwant: Heute wird das nichts mit der Maisernte, die ich gerne beim Lohnunternehmer Köffer in Kamp-Lintfort eingeholt hätte. Seniorchef Norbert Köffer begrüßt mich dennoch mit einem breiten Lächeln und einer Tasse Kaffee.
So rühren wir in unseren Tassen und kommen dabei schnell auf die Firmengeschichte zu sprechen. Die Eltern hatten lange den Hof im Süden Kamp-Lintforts von der Zeche gepachtet. Nur jährlich wurde der Vertrag verlängert, weil das Bergwerk immer drauf und dran war zu erweitern. Bis zu den Köffers kamen sie zwar nie, die Familie musste trotzdem ständig mit dem Ende des Pachtvertrags rechnen. In all der Zeit wurde deshalb vonseiten des Bergbaus wenig in den Hof investiert.
Erntezeit braucht viele Helfer:innen
Vielleicht war es die Ungewissheit, die die Köffers auf die Idee brachte, anderen Kolleg:innen landwirtschaftliche Dienstleistungen anzubieten. Statt in Immobilien zu investieren, kauften die Köffers große Maschinen. Denn vor allem in der Erntezeit werden viele Hände benötigt und es kommen Maschinen zum Einsatz, die viel Geld kosten. Bei einem Bauern allein werden sie jedoch nur sehr selten gebraucht. Anderswo behelfen sich Landwirt:innen deshalb mit so genannten Maschinenringen (alle bringen was anderes ein, verliehen wird untereinander) oder es gibt ein Lohnunternehmen, das die spezielle Arbeit zur Erntezeit übernimmt.
„Früher machte man ganze Betreuungsverträge mit einzelnen Kunden. Heute fragen die meisten Landwirte gezielt Services an und vergleichen dann die Preise“, weiß Norbert Köffer, dessen breiten Schultern und dem sonnengebräunten Gesicht man die schwere Arbeit unter freiem Himmel gut ansieht. Von Sonne fehlt draußen weiterhin jede Spur. Stattdessen schwappen Wasserschwälle über die Regenrinne, die mit den Niederschlägen draußen kaum fertig wird.
Köffer schüttelt den Kopf: Mit Ernten wird heute nichts. Stattdessen arbeiten alle Männer in der Werkstatt. Insgesamt gehören 13 Festangestellte zum Lohnunternehmen. Einige davon fahren regelmäßig Transport-Lkw zwischen Baustellen. Der Rest erledigt landwirtschaftliche Aufträge oder schraubt wie heute an Traktoren und Erntemaschinen herum. So wie Christian Köffer, der als Landmaschinenmechaniker-Meister die vielen Maschinen im Fuhrpark bestens kennt. Nach Jahren der Ausbildung kehrte er in den elterlichen Betrieb zurück.
Als ich die Werkstatthalle betrete, schraubt er gerade unter einer Erntemaschine, die zuletzt Getreide abgeerntet hat. In einigen Tagen soll sie Mais vom Feld holen. Dazu muss sie erst umgerüstet werden, denn diesmal sollen ganze Kolben abgeerntet werden. In den vergangenen drei Jahren brauchte man daran nicht zu denken. Zur Erntezeit waren aufgrund der Dürre die Maiskolben mickrig und die Landwirt:innen brauchten so dringend Futtermittel, dass einfach alles weg gehäckselt wurde.
Gute Ernte
In diesem Jahr sieht’s besser aus. Die Pflanzen stehen hoch, die Kolben brauchen indes noch ein paar Tage. Sonnenstunden sind entscheidend. Je mehr davon, desto höher ist der Stärke-Gehalt der Maiskörner. Was nicht verfüttert wird, kann verkauft werden. Beispielsweise an die Industrie. „Vorher müssen wir aber umbauen und alle Maschinen warten. Nichts ist schlimmer als Stillstand während der Erntezeit“, erzählt mir Christian, der in seinem ölverschmierten Overall heute besonders ans Schwitzen kommt. Die Luft ist mittlerweile schwül geworden, der Regen schwächer.
Hier drin kann uns das Wetter nichts anhaben – über den Tagesablauf bei Köffer entscheidet es jedoch maßgeblich. Schraubenschlüssel statt Ackerfurche, Wartung statt Mais-Ernte. Das ganze Jahr über richtet sich die Arbeit von Köffer nach dem Wetter. Die ruhige Winterzeit in der Landwirtschaft überbrücken sie mit Winterdienst. Dann schieben sie Schnee und streuen gegen Glatteis – unter anderem auf Land- und Bundesstraßen. Und wenn die erste Gülle im Frühjahr ausgebracht werden muss, geht das erst, wenn der Frost aus dem Boden ist.
Hitze und Kälte, Dürre und Regenflut: Immer haben äußere Einflüsse massive Auswirkungen auf Landwirtschaft und Lohnunternehmer. Denn kaum ein Berufsstand ist so vom Wetter abhängig wie der des Bauern. Zu diesen Unwägbarkeiten kommt seit langem hinzu, dass immer neue Regeln zu beachten sind und das Umfeld gerne über Landwirt:innen schimpft. Das zermürbt den Berufsstand. Davon hat mir schon die Familie Hußmann bei meinem Praktikum auf dem Schweinehof berichtet. Und trotzdem sind sie – zurecht, wie ich finde – stolz darauf, was sie mit ihrer Hände Arbeit schaffen.
So geht es auch den jungen Leuten, die bei Köffer eine Ausbildung zur Fachkraft Agrarservice machen. Zwei von Ihnen haben heute Berufsschule, einer sitzt mit uns am Tisch, als wir Mittag machen. Schnitzel mit Pommes oder Currywurst haben sich die jungen Kollegen geholt. Ein anderer isst – so wie ich – mitgebrachte Brote. Schweigen. Blicke aufs Handy. „Hattest Du eigentlich Felsspritze in der Abschlussprüfung“, fragt der Azubi kauend. Darüber entspinnt sich ein Gespräch über das Haus Riswick. Dort bildet die Landwirtschaftskammer NRW ihren Nachwuchs aus. Endlich gibt es wieder mehr Nachfrage nach Berufen in der Landwirtschaft.
Respekt ist der Schlüssel
Für Norbert Köffer war es nie eine Frage, dass er einen Beruf in der Landwirtschaft einschlagen würde. Weil er das von seinen Eltern kannte. Weil er schon als Kind von Aussaat bis Erntezeit alles miterlebt hatte. In der Werkstatt sprechen sie ehrfürchtig vom Norbert, der sich wie kein anderer mit den Maschinen auskennt. Man spürt den Respekt. Füreinander. Ich wünschte mir, dass viel mehr Menschen in diesen Momenten dabei sein könnten. So wie jetzt beim Abschied vom Seniorchef. Er steht am Rande des Betriebsgeländes und schaut auf eine benachbarte Weide. Dort treibt eine Familie ein paar Kühe zusammen. Mutter, Vater, zwei Kinder breiten die Arme aus, um eine Mutterkuh und ihr Kalb in einen Anhänger zu bekommen. In diesem Moment bricht tatsächlich für ein paar Minuten die Sonne durch die Wolken.
Meine bisherigen Praktika
Dies ist eine Reportage über meinen Einsatz beim Lohnunternehmen Norbert Köffer. Der Text ist deshalb subjektiv, beschreibt ausschließlich meine Beobachtungen und verzichtet – getreu den Regeln des Genres– auf Bewertungen und Kommentare. Mindestens zwei Mal im Jahr versuche ich, in meinem Wahlkreis einen Tag lang zu malochen. Das habe ich unter anderem schon im Krankenhaus, bei der Müllabfuhr, beim Deutschen Roten Kreuz, auf dem Bau, beim Spargelstechen, in der Großbäckerei Büsch, bei Amazon und McDonald’s getan sowie bei der Polizei und in einem Seniorenheim.