
Inhalt
Digitalisierung: Meine fünf Hauptanliegen
- Wir müssen die Digitalisierung verstehen, erst dann kann man sie gestalten. Das gilt für uns Politiker genauso wie für alle anderen. Angst vor Digitalisierung? Die verliert sich schnell, wenn man kapiert, wie sie funktioniert.
- Begreifen durch Greifen: Es braucht die bestmögliche digitale Ausstattung in Schulen und öffentlichen Einrichtungen, damit wir alle die zum Teile teure neue Technik auch mal austesten können. Haben Sie schon mal einen 3D-Drucker etwas produzieren lassen? Dann wird es Zeit! In jeder öffentlichen Bücherei oder in so genannten Maker-Spaces sollte das möglich werden.
- Daten sind die neue Währung: Ich möchte deshalb, dass rechtlich eindeutig klar ist, wem die Daten gehören. Wer Daten produziert, dem sollen sie auch gehören – und nicht den großen Konzernen.
- Arbeitsplätze verändern sich durch die Digitalisierung. Wie sehr, das müssen wir uns genau anschauen (s. Punkt eins) und deshalb bin ich froh, dass ich in der Enquete-Kommission des Landtags mitarbeiten durfte, die bis 2020 die Lage untersucht. Aus den Erkenntnissen müssen konkrete Empfehlungen und Gesetze gemacht werden.
- Geschwindigkeit zählt! Deshalb braucht es Internet in Lichtgeschwindigkeit. Überall? Ja, denn wenn alle Menschen und Orte von der Digitalisierung profitieren sollen, dann brauchen auch alle schnelles Internet.
Definition: Was bedeutet Digitalisierung?
Die Welt um uns herum ist analog. Häuser, Menschen, Himmel und Sonne sind mehr oder weniger greifbar, lassen sich durch Worte und Bilder aber auch durch Daten näher beschreiben. Wenn ich das mithilfe eines Computers und Sensoren tue, dann digitalisiere ich diesen Bereich. Häuser können vermessen, das Inventar katalogisiert und vieles weitere wie die Raumtemperatur, die Luftfeuchtigkeit in den Mauern und die Stromabnahme an den Steckdosen gemessen werden. Es entstehen auf diese Weise immense Mengen Daten. Damit kann ich arbeiten. Das geht praktisch für jeden Lebensbereich. Die Digitalisierung ist der Prozess. Das Produkt sind die Daten. Darum dreht sich letztlich alles.
Warum reden alle von Big Data?
Weil unendlich viele Daten rund um die Uhr erhoben werden und miteinander in Bezug gesetzt werden können, reden alle von Big Data (Große Daten). Die Erhebung dieser Daten ist heutzutage normal. Ich zum Beispiel speichere jeden Morgen mein Gewicht, den Ruhepuls und die über den Tag gelaufenen Schritte. Geschäftsmodelle und echter Mehrwert auch für die Menschen ergibt sich aber erst dadurch, dass man verschiedene Daten miteinander in Verbindung setzt.
In der Wissenschaft nutzte man früher Daten, um eine Vermutung zu bestätigen oder zu widerlegen. Heute errechnen so genannte Algorithmen, also selbstlernende Computerprogramme, aus riesigen Datenmengen statistische Wahrscheinlichkeiten. Die müssen aber nicht immer zu einem richtigen Schluss führen. Ein Beispiel: Vergleicht man die Farbe von Autos mit der Häufigkeit der Unfälle, dann stellt man fest, dass orangefarbene Autos tendenziell am wenigsten in Unfälle verwickelt sind. Wer deshalb sicher fahren will und beim nächsten Autokauf orangefarbenen Lack bestellt, wird nicht sicherer als vorher unterwegs sein. Warum? Allein die große Zahl kommunaler Nutzfahrzeuge (Kehrmaschinen, Müllwagen, Lastwagen der Straßenmeistereien etc.), die aufgrund ihres Auftrags selten gefährlich unterwegs sind, senkt das statistische Unfallrisiko orangefarbener Autos.
Dagegen gab es Versuche mit Gesundheitsdaten, durch die ein Algorithmus ziemlich exakt erkannte, wann sich ein Proband am Ergometer derart verausgabte, dass er im nächsten Moment zusammen brach. Big Data erkannte das mehrere Sekunden vor dem Menschen selbst. Ein Frühwarnsystem bei drohenden Erkrankungen? Fände ich persönlich eine tolle Errungenschaft!

Die Rolle des Datenschutzes
Die beiden vorherigen Beispiele zu Big Data zeigen, wie wichtig in Zukunft Datenschutz und Datensicherheit sein werden. Denn einerseits muss jeder Mensch jederzeit Herr über seine eigenen Daten sein und entscheiden können, wann und zu welchem Zweck seine Daten verwendet werden. Andererseits braucht es Hilfestellung bei der Entscheidung, was tatsächlich gewollt ist. Wenn meine vom Fitnessarmband genommenen Daten und die Millionen anderer Nutzer dazu führen, dass mich ein Computer vor drohendem Schlaganfall warnt, möchte ich das unbedingt zulassen. Aber was, wenn mir der gleiche Algorithmus prophezeit, dass ich übermorgen mit 95-prozentiger Sicherheit sterbe? Will ich das wissen, oder verzichte ich lieber, um wenigstens meine letzten beiden Tage unbeschwert zu verbringen? Wie würden Sie entscheiden?
Die Beispiele klingen utopisch? Sind sie aber nicht. Mit diesen Fragen müssen wir uns als Verbraucher beschäftigen und als Politiker sowieso!
Digitalisierung in der Landespolitik
Der Landtag hat seit 2017 einen neuen Ausschuss für „Digitalisierung und Innovation“. Dort bin ich Mitglied und stellvertretender Vorsitzender. Alle Themen, die mit Digitalisierung zu tun haben, sollten aus meiner Sicht in dem Ausschuss zusammen laufen und von Fachpolitikern beurteilt werden. Leider dient der Ausschuss bisher eher als Feigenblatt. Noch immer finden die jeweiligen Themen in allen anderen Fachausschüssen ihre Hauptbühne – der A20, so die Abkürzung des Ausschusses in der Gesamtübersicht des Landtags – spielt allenfalls auf kleinem Parkett. Das will ich ändern – ebenso wie die Frage, wo die Digitalisierung behandelt wird.
Eine gute Idee der SPD-Landtagsfraktion war es, eine so genannte Enquete-Kommission zur „Digitalisierung der Arbeitswelt“ zu beantragen. Was hat dieses Gremium getan? Zwei Jahre haben wir uns mit Experten angeschaut, wie die Digitalisierung die Arbeitswelt verändern wird. Das beschreiben wir einerseits. Andererseits ergeben sich daraus Dinge, die wir als Politik regeln müssen. Zum Beispiel beim Datenschutz (s. meine Forderungen oben).
Wo bleibt ein Digitalministerium?
Wir brauchen endlich ein richtiges Digitalministerium! Nur weil man mehrere Landesbeamte in einem Haus zusammenfasst und an die Fassade das Schild „Digitalministerium“ schraubt, wird es inhaltlich nicht besser. Innovation, so meine Überzeugung, kommt in politischen Systemen aber zuallererst von oben. Leadership-Prinzip: Wenn eine Chefin oder Chef da ist, die das Thema Digitalisierung zu ihrem macht und mit dem Gestalten beginnt, dann kommt auch die Digitalisierung in der Politik in Bewegung. Wenn ich das – wie in NRW – als Wirtschaftsminister mit Nebenjob Digitalisierung tue, dann kriegt alles einen Wirtschaftstouch. Breitband, neue Plattformen und mehr Förderung von Start-Ups bilden die Dreifaltigkeit liberaler Digitalisierungspolitik. Das ist leider derzeit alles.
Das Land NRW kann Digitalisierung gestalten!
Das Land Nordrhein-Westfalen kann eigenständig die Digitalisierung in vielen wichtigen Bereichen gestalten. Es gibt politische Felder, die exklusiv vom jeweiligen Bundesland beackert werden. Die Bildung ist so ein Feld. Und da könnte es mehr Digitalisierung geben – in der Ausstattung der Schulen, bei den Inhalten (Stichwort freies Bildungsmaterial, OER) und der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Bei den Hochschulen geht es weiter: Wir brauchen immer mehr Experten im IT-Bereich. Die muss man ausbilden und dafür braucht es Studiengänge, die das Land anlegen und finanzieren kann. Beim Breitbandausbau kann das Land Geld geben. Und so gibt es noch viele weitere Felder, in denen das Land NRW Digitalisierung gestalten kann. Den breiten Rechtsrahmen indes setzen Bundestag und Europaparlament.
Wie erklärt man Kindern Digitalisierung?
Die Generation meiner eigenen Kinder steckt mittendrin in der Digitalisierung. Kinder erleben Digitalisierung jeden Tag ganz selbstverständlich. Wichtig wird sein, ihnen nicht nur zu zeigen, wie man diese Technik nutzt, sondern wie sie funktioniert. Ich habe noch an meinem ersten Computer (einem C64) in Basic programmiert. Einfache Befehle, aber ich wusste, wie es geht. Später musste man Programme aufwändig installieren und so einstellen, dass es funktioniert. Wahnsinnig aufwändig, wahnsinnig aufschlussreich. Heute funktionieren die Apps einfach so. Kein Grund sich mit ihren Funktionen näher zu beschäftigen oder ihr Verhalten zu hinterfragen. Warum will eine Kompass-App Zugriff auf meine Kontakte? Ach egal, Hauptsache funktioniert. Wir müssen Kindern Digitalisierung als einen mathematischen Prozess erklären. 268*344=28.465. Nachrechnen erlaubt!
Bildung: So verändern sich Schule und Unterricht durch die Digitalisierung
Ein Whiteboard oder ein Satz iPads macht eine Schule noch nicht digital. Das sind allenfalls die Werkzeuge. Ein Stethoskop macht aus Ihnen lange noch keinen Arzt! Dafür müssten Sie lernen, wie mit diesen Werkzeugen umzugehen ist. Langsam kommt die Generation der so genannten Digital Natives nicht nur in die Klassen sondern auch als Lehrer vor die Klasse. Damit wächst das Verständnis für den Einsatz digitaler Technik. Ich kenne Lehrer meines Sohnes, die ihren Unterricht schon komplett vom iPad via Beamer halten. Hausaufgaben werden künftig nicht mehr allein ins Heft geschrieben werden, sondern müssen unter Nutzung von moderner Hard- und Software erstellt werden. Dabei kommt der Medienkompetenz aller Beteiligten eine große Rolle zu. Vertrauen Sie immer Wikipedia? Welche der zig Internetseiten schildert den Sachverhalt nun richtig? So wie wir alle müssen auch Schülerinnen und Schüler lernen, Quellen zu bewerten und mit dem neu erworbenen Wissen umzugehen. Dadurch werden sie andere Dinge als ich (Jahrgang 1976) lernen. Dümmer werden sie dadurch aber nicht sein!
Digitalisierung verändert unser Leben
Es gibt viele Lebensbereiche, in denen die Digitalisierung derzeit vieles verändert. Die Arbeitswelt gehört beispielsweise dazu oder die Art, wie wir miteinander kommunizieren. Viele Neuerungen durch die Digitalisierung erleichtern unser Leben – andere würden wir am liebsten wieder abschaffen. Fest steht: Die Digitalisierung geht nicht wieder weg. Wir müssen sie deshalb annehmen und für uns gestalten.
Fluch oder Segen: Wohin führt Digitalisierung?
Die erste kritische Frage im Zusammenhang mit Digitalisierung ist meistens die, wie viele Arbeitsplätze dadurch wegfallen. Was meinen Sie? Schätzungen gibt es viele, aber vorhersagen kann es heute niemand. Die einen meinen, dass es am Ende mehr zusätzliche Arbeitsplätze sein werden. Andere sehen hunderttausende Jobs bedroht. Richtig ist, dass es viele Berufe nicht mehr geben wird in einigen Jahren – so wie es den Schriftsetzer und den Kutscher (so gut wie) nicht mehr gibt. Ich vermute, dass alle Tätigkeiten automatisiert werden, die automatisiert werden können. In den Fabriken hat es begonnen, bei Versicherungs- und Bankkaufleuten geht es weiter. Auch Ärzte und Rechtsanwälte sind nicht sicher davor, von klugen Maschinen ersetzt zu werden. Ist Digitalisierung deshalb ein Fluch? Ich denke nicht!
Denn auf der anderen Seite stehen neue Jobs und Berufe als Programmierer und Problemlöser. Denn diese Kompetenz nimmt uns keine Maschine so schnell ab: Wir Menschen finden aus komplexen Situationen wieder heraus. Das Unvorhersehbare zu meistern ist unsere Stärke. Und dafür werden wir künftig auch technische Hilfsmittel nutzen können. Selbstfahrende Autos, 3D-Drucker in jedem Haushalt, Körperdaten für ein gesünderes Leben: Das und viele mehr ist Segen der Digitalisierung.
Die Vorteile der Digitalisierung
Dank des Internets gibt es heute viele Services, die das Leben leichter machen. Ich kann alles jederzeit sehen und bestellen. No Limits. Ich bin nicht mehr nur Konsument, dem Häppchen hingeschmissen werden, sondern ich kann selber aus einer Unmenge von Möglichkeiten wählen. Und oft auch selber bestimmen, was ich gerne hätte. Die Zeiten sind vorbei, in denen ich mich nur gegenüber wenigen Menschen äußern kann. Dank sozialer Medien und Blogs habe ich jederzeit ein Millionenpublikum. Das ist gut für die Demokratie und andererseits kann es ihren Untergang bedeuten, wenn wir Fakenews und Manipulationen nicht unterbinden. Ich finde, dass wir Hassreden im Netz deutlicher bestrafen müssen. Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. So wie ich Strafen im richtigen Leben fürchte, müssen auch Gesetzesbrüche im Virtuellen deutlich bestraft werden, so dass sich auch hier alle korrekt verhalten.
Ja, es gibt auch Nachteile
Die Welt gerät durch die Digitalisierung in einen stetigen Umbruch. Das ist nicht immer gemütlich. Viele wünschen sich dann die gute alte Zeit zurück. Aber das gibt es nicht – und gab es auch schon nicht zu anderen Zeiten als beispielsweise die Dampfmaschine alles verändert hat. Wichtig ist, dass wir grundsätzlich neugierig und offen für die Zukunft bleiben. Und ich finde, dass die Politik alles tun muss, damit jeder Mensch auch mitmachen und profitieren kann.
Industrie 4.0: Digitalisierung der Arbeit
Oben habe ich es bereits erwähnt: Die größten Umbrüche durch Digitalisierung werden wir in der Arbeitswelt haben. Berufe verschwinden und neue werden geboren. Welche das sind und worauf es bei der Berufswahl letztlich ankommt, beschreibe ich hier. Viele Arbeitsplätze verändern sich und die Rolle der Arbeitnehmer. Sowieso Gewerkschaften müssen ihre Rolle ebenso neu definieren wie die Politik, die etwas regeln muss, was sie heute noch nicht zu 100 Prozent versteht. Deshalb haben wir als SPD-Landtagsfraktion vor rund drei Jahren beantragt, die digitale Transformation der Arbeitswelt über zwei Jahre in einer Enquetekommission im NRW-Landtag genauer zu erforschen. Wie die Digitalisierung vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trifft, beschreibe ich in diesem Beitrag vor dem Hintergrund der Ergebnisse der „Enquetekommission zur Zukunft der Arbeitswelt“.
Wirtschaftsstandort Deutschland: Sind Arbeitsplätze bedroht?
Wie viele Arbeitsplätze kostet uns die Digitalisierung in der Arbeitswelt? Die Expertenmeinungen, wie viele Jobs von der Digitalisierung bedroht sind, gehen auseinander. Für NRW schätzen Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dass im Saldo kein einziger Arbeitsplatz futsch ist. Aber Arbeitsplätze werden sich zwischen Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus verändern und verschieben. In Nordrhein-Westfalen werden nach einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) bis zum Jahr 2035 rund 570.000 Arbeitsplätze von diesem Trend betroffen sein. Auch eine Studie der OECD sieht eine ausgeglichene Bilanz. Sicher ist jedoch, dass ganze Berufe künftig nicht mehr gebraucht werden. Welche das sind, unterscheidet sich je nach Land und Branche, fand die OECD heraus. Interessant ist darüber hinaus, wie sich über diese Veränderung bei den Berufen und im Einkommen die Gesellschaftsstruktur verändern könnte. Dazu hat sich Sascha Lobo interessante Gedanken gemacht und läutet in einem Spiegel-Artikel das „Ende des Mittelstandes“ durch die Digitalisierung ein. So oder so müssen wir Politiker jetzt mit den Entwicklungen umgehen und die Vorteile der Digitalisierung nutzen, um ihre Nachteile auszugleichen.
Faszinierender 3D-Druck
Wichtig zu wissen ist zunächst mal eines: Sie können schon heute prinzipiell alles in einem 3D-Drucker drucken. Entscheidend ist die Größe des Druckkopfes und das Material, das ich verwende. Haut, Metall, Holz: All das kann ich drucken. Keine Nachbildungen aus Plastik sondern 100-prozentig das echte Material! Und weil ich auch mit Zement drucken kann, werden heute schon ganze Häuser in Windeseile gedruckt.
Wenn Sie diesen technischen Quantensprung nachvollziehen, wird Ihnen klar sein: Diese Technologie besitzt das Potenzial, alles zu ändern. Das wurde mir beispielsweise klar durch meine Arbeit in der Enquete-Kommission zur Zukunft des Handwerks. Dort spricht man gerne von der Losgröße 1, also der bislang exklusiv im Handwerk vorhandenen Fertigkeit, Dinge genau ein Mal herzustellen. Holzornamente, Tortendekorationen, Autoersatzteile: Das alles kann ich, wenn ich nur den Bauplan habe, künftig auch selber drucken. Zu Hause. Rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr. Was heißt das für unsere Wirtschaft? Ich glaube, dass künftig viel öfter digitale Baupläne verkauft werden als das Produkt selbst. Beispiel Sonnenbrille: Statt in den Laden zu gehen, suche ich mir das passende Modell online, zahle für den Druckplan eine Lizenzgebühr und drucke mit Gestell und Gläser gleich sofort zu Hause.
Sie merken schon, was allein an diesem kleinen Beispiel dran hängt. Es müssen sich zahlreiche Akteure verändern in dem, was sie tun. Ein Auskommen können sie dennoch haben – sie müssen nur rechtzeitig erkennen, wie es geht.
Die Digitalisierung bei den Banken
Dass immer mehr Bankfilialen geschlossen werden, hat einen einfachen Grund: Wir alle erledigen unsere Geldgeschäfte zunehmend zu Hause am Computer. Die Filiale betreten wir höchstens zum Geldabholen. Selbst Kredite, Bausparverträge und Versicherungen finden wir mittlerweile schneller und kostengünstiger im Netz. Wozu also noch in eine Bank gehen?
Dennoch braucht jeder Mensch ein Konto. Schon allein, damit das Gehalt überwiesen werden kann. Mit dieser Dienstleistung allein kann jedoch keine Bank wirtschaften. Zumal, wenn traditionelle Häuser wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken, viel Geld in Präsenz stecken aber durch Niedrigzinsen kaum noch etwas verdienen.
Ich glaube, dass die Zukunft der Banken darin besteht, nicht ein Konto oder einzelne Dienstleistungen anzubieten, sondern ein Versprechen. „Wir verschaffen Dir den finanziellen Spielraum, den du brauchst, um Dein Leben gut führen zu können.“ So oder so ähnlich könnte das Versprechen lauten. Hypotheken, Versicherungen, Dispokredite: Das alles managt die Bank für mich und ohne mich übers Ohr zu hauen. Denn dank der digitalen Transparenz bleibt kein überteuerter Kredit unbemerkt und das Vertrauen bleibt immer das Hauptkapital einer Bank.
Baugewerbe: Kann digital gebaut werden?
Trotz Digitalisierung wird das Baugewerbe auch weiterhin äußerst personalintensiv sein. Selbst wenn additive Fertigungsmöglichkeiten hinzu kommen (s. 3D-Druck weiter oben), braucht es Menschen, die anpacken. Die Gebäude selbst werden jedoch digitaler. Nicht nur in ihrer Grundausstattung (Stichwort Smart Home), sondern bereits ab der Planung. In der Enquetekommission zur Zukunft des Handwerks durfte ich das so genannte „Building Information Modeling“ (BIM) kennen lernen. Hier vergibt bereits der Architekt Seriennummern für jedes einzelne Gebäudeteil und alles verbaute Material, das allesamt digital erfasst wird. So lässt sich später genau sagen, wann etwas renoviert werden sollte. Vorausschauende Wartung: Die umfassende Sensorien moderner Häuser macht es möglich, dass repariert wird, bevor etwas komplett den Geist aufgibt.
Das Baugewerbe täte aus meiner Sicht gut daran, jetzt schon das Geschäftsmodell anzupassen. Warum nur den Bau eines Hauses anbieten? Mit der oben beschriebenen Technik könnte ein potentes Unternehmen zum monatlichen Fixpreis Wohnen in einem stets funktionierenden und gut aussehenden Haus anbieten. Die Digitalisierung macht es möglich.
Digitalisierung und der Mittelstand
Digitalisierung muss wachsen – organisatorisch und strukturell, aber auch finanziell. Denn viele der hier vorgestellten Technologien kosten in der Anschaffung viel Geld. Investitionen, die sich für den Mittelstand nicht immer lohnen. Viele tausend Euro für eine CNC-Fräse, die nur alle halbe Jahre genutzt wird, kann sich kein mittelständischer Schreiner leisten. Dennoch wird er sie künftig brauchen, um Wünsche seiner Kunden realisieren zu können. Gleichzeitig muss der Mittelstand, der nicht auf große eigene Forschungsabteilungen zurück greifen kann, technisch auf dem Laufenden bleiben. Was ist auf dem Markt und wie kann ich es eventuell zusammen mit anderen nutzen? Ich bin dafür, dass die Industrie- und Handelskammern bzw. die Handwerkskammern diese Vermittlerrolle übernehmen. Hier sollten Kompetenzzentren aufgebaut werden, derer sich der Mittelstand bedienen kann.
Der Gartenbaubetrieb Grütters aus Sonsbeck hat schon früh erkannt, dass Digitalisierung wichtig für den Betrieb sein wird und früh angepackt. Zwischen Spaten und Spalieren wächst zunehmend der Teil der Arbeit, der mit digitalen Hilfsmitteln organisiert und erledigt wird. Das habe ich mir mal vor Ort angeguckt.
Künstliche Intelligenz (KI) – Die Zukunft
Streng genommen gibt es keine Künstliche Intelligenz (KI). Um die zu programmieren, müssten wir erstmal wissen, wie das menschliche Gehirn überhaupt funktioniert. Nur dann könnte man Intelligenz künstlich nachbilden. Wenn wir heute von KI sprechen, dann sind meist selbstlernende Computerprogramme gemeint, die wie ein Mensch selbstständig etwas dazu lernen können. So sind die Sprachsteuerprogramme von Apples Siri bis Amazons Alexa Beispiele für Software, die dazu lernt.
Vernichtet Künstliche Intelligenz Arbeitsplätze?
Die Befürchtung, dass Künstliche Intelligenz (KI) Arbeitsplätze vernichten könnte, ist bei vielen Menschen groß. Das hat der Bundesverband Digitale Wirtschaft in einer Befragung herausgefunden. 69 Prozent der Interviewpartner gehen demnach davon aus, dass KI massenhaft Arbeitsplätze überflüssig macht.
Ich sehe das weniger dramatisch, denn wie oben beschrieben handelt es sich nicht um Software, die dem menschlichen Gehirn auch nur annähernd ebenbürtig wäre. Sicher: Automatisierbare Abläufe verrichtet diese Software schneller und zuverlässiger. Technik wird in Zukunft helfen, wo Fachkräfte fehlen beziehungsweise ersetzbar sind. Doch der Technik wird eine sehr wichtige Sache weiterhin fehlen: die Problemlösungskompetenz. Das ist der Grund, warum ich gerne die Bildungsinhalte stark verändern würde. Der Bonner Wissenschaftler Alexander Markowetz hat in einer Anhörung vor dem Landtag mal auf den Punkt gebracht, was es künftig für Erfolg im Beruf braucht: Informatik (mit Mathematik als Basis) und Kreativität. Das müssen wir Kindern neben Lesen und Schreiben vor allem beibringen.
Digitalisierung im Kreis Wesel: Chance für den Strukturwandel
Gerade im ländlichen Raum wie dem Kreis Wesel ist die Digitalisierung eine echte Chance. Beispiele gefällig? Wenn überall schnelles Internet liegt, wo werden moderne Wissensarbeiter:innen wohl lieber arbeiten – in der Großstadt zwischen Dieselfahrverboten und unbezahlbaren Wohnungen, oder doch lieber auf dem Land, wo die Mieten zum großen Teil noch erschwinglich sind? Für die älter werdenden Menschen bringt die zunehmende Digitalisierung die Möglichkeit, bis ins hohe Alter selbstständig zu Hause leben zu können. Hausnotruf und Assistenzsysteme machen es möglich. Durch die Ansiedlung der Hochschule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort ist der Grundstein gelegt, dass hiesige Jugendliche und Gaststudenten Digitalisierung von Grund auf lernen, anwenden und von ihr leben können. Ein wertvoller Beitrag im Strukturwandel – hin zur Wissensgesellschaft.
Die SPD und die Digitalisierung
In der Beschreibung der Digitalisierung auf dieser Internetseite ist es immer wieder deutlich geworden: Die umfassende technische Revolution wird Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben. Davor muss sich niemand fürchten. Angst haben müssen wir nur davor, dass sich die Technologie Bahn bricht und nur einige wenige von ihr profitieren. Dafür hat die SPD immer gestanden und in aktuell stürmischen Zeit kann es auch wieder ihr Markenzeichen werden: Wir müssen die Digitalisierung verstehen, beschreiben und auch gegen Widerstände Regeln aufstellen, damit wirklich alle Menschen von ihr etwas haben. Dieses Parteiprogramm wünsche ich mir für die Zukunft – ein Parteiprogramm, das von Digitalisierung als Chance spricht und die für unsere Zeit richtigen Antworten gibt.