Digitalisierung soll dabei helfen, die Klimakrise zu bremsen, unsere Umwelt zu schützen und das Artensterben zu stoppen. Geht das alles, oder ist nicht die fortschreitende Digitalisierung selbst mit Schuld daran, dass unsere Umwelt leidet?
Das habe ich mich gleich am ersten Abend der Konferenz „Bits und Bäume“ in Berlin gefragt. Zum Start gab’s nämlich eher technik-skeptische Töne: Immer größere Server-Farmen erhitzen unsere Flüsse. Die Produktion immer neuer Computer und Smartphones frisst Ressourcen und emittiert CO2 – und am Ende sorgen Cookies und Tracking dafür, dass uns gezielte Werbung zu willigen Konsument:innen macht.
Dabei ist gerade Verzicht der einzige Weg raus aus dem Verbrauch endlicher Ressourcen, meint Erik Poppe vom Fraunhofer IZM. Er möchte mehr gesetzliche Vorgaben, um kurze Produktzyklen zu verhindern. „Fast Fashion“ zum Beispiel gehöre verboten. So ähnlich sieht es auch Tilman Resch von der Online-Plattform „Back Market“. Dort werden wiederaufgearbeitete Alt-Geräte verkauft. Vorteil: Im Vergleich zur Neuware ist die Second Hand-Nutzung wesentlich nachhaltiger.
Denn was ist die Alternative? Viele alte Handys oder Laptops landen heute im Schrott oder gammeln zu Hause im Schrank herum. Seltene Rohstoffe und endliche Ressourcen sind damit zum Teil für immer verloren. 53,6 Millionen Tonnen Elektroschrott kamen 2019 auf diese Weise zusammen. Tendenz steigend und schon in diesem Jahr wird mit mehr als 60 Millionen Tonnen gerechnet.
Digitalisierung und immer neue Geräte
Geschockt hat mich, wie wenig Rohstoffe tatsächlich recycelt werden. Angelehnt ans Periodensystem der Elemente sieht man im nachfolgenden Bild deutlich, wie gering die Recyclingquoten von Lithium tatsächlich sind. Hinzu kommt, dass bei der Produktion eines Smartphones dem Rohmaterial-Einsatz von 268,6 Kilogramm nur 200,2 Gramm Elektroschrott entgegen stehen. Pure Verschwendung von Ressourcen also.
Wer nachhaltig leben will, für den gilt, dass Re-Use noch vor Recycling geht. Bei der Durchschnittsnutzung eines Smartphones von gerade einmal 23 bis 37 Monaten wird schnell klar, welches Potenzial es hätte, wenn wir die Geräte selber länger nutzten oder einfach weitergeben würden. Voraussetzung für eine längeres Leben der Geräte ist zudem die Möglichkeit, Elektrogeräte reparieren zu können. Da ist ein teures Gerät, das günstig zu reparieren ist, besser als ein günstiges Gerät, dass man nur teuer reparieren kann. Wir alle müssen also umdenken.
Abwärme von Rechenzentren nutzen
Das gilt auch fürs Thema Rechenzentren. Die haben enormes Potenzial. Rund 50.000 davon gibt es in Deutschland. Geschätzt, weil es keine Meldepflicht gibt. Dort entsteht bei der Kühlung der Rechner Abwärme mit Temperaturen zwischen 30 und 60 Grad Celsius. Diese Wärme könnte genutzt werden, um allein in Deutschland 1,1 Millionen Haushalte mit Wärme zu versorgen. Denkbar ist auch, die Wärme für Treibhäuser oder Industrieprozesse zu nutzen. Etwa beim Trocknen von Früchten.
Mit Spannung verfolge ich deshalb das Projekt „Bytes2Heat“. Das will Ende des Jahres 2022 eine Plattform freischalten. Inhalt ist unter anderem ein Matching-Tool. Das „Tinder für Rechenzentren“ nennt das Projektleiterin Mira Weber. Wie wirtschaftlich die Abwärme-Nutzung je nach Anwendungsfall ist, liefert die Seite dann ebenso wie eine Übersicht bereits bestehender Projekte.
Es sieht also so aus, als ob die Digitalisierung unterm Strich auch viel Gutes bringen kann. Viele weitere Beispiele dafür gab es bei „Bits und Bäume“ – zum Beispiel zur Auswertung von Daten, um Parkraum effizienter nutzen zu können und die Energiewende schneller umzusetzen. Soziale Start-Ups kümmern sich zudem darum, dass nicht nur die Kasse stimmt. Kommt eben drauf an, was wir Menschen aus der Digitalisierung machen und wie sich unsere Einstellung zu Konsum und Nachhaltigkeit verändert. Tut sich da nichts, wird die Digitalisierung den Klimawandel nur weiter anheizen – im wahrsten Sinne des Wortes.