Nicht nur Internet-Pionier und Multi-Unternehmensgründer Ibrahim Evsan sieht im 3D-Druck den Anbruch einer neuen industriellen Ära. Bei einer Veranstaltung der SPD-Landtagsfraktion zeigten die anwesenden Experten die großen Chancen der Technologie auf. Doch leider verschlafen wir in Deutschland die Entwicklung – während in den USA viele Millionen Dollar staatlicher Mittel in die Weiterentwicklung fließen.
Die Chancen, die im 3D-Druck liegen, sind unbestritten: Zahlreiche Beispiele aus der Praxis stellte Markus Sturm jetzt bei einer Veranstaltung der SPD-Landtagsfraktion vor. Der Jungunternehmer entwickelt derzeit in Duisburg sowohl einen marktfähigen Drucker als auch einen dazu passenden Scanner, der alle möglichen Dinge so erfassen kann, dass daraus anschließend Modelle gedruckt werden können. Fehlende Ersatzteile beim Oldtimer, Prototypen neuer Erfindungen bis hin zu ganzen Organen – die Produktpalette beim 3D-Druck, wenn man sie denn so nennen will, ist riesig.
Überall wo Individualität vor Massenproduktion steht, punktet der 3D-Druck. Beispiel: Die vielen hundert Kugelschreiber, die ich so im Rahmen eines Wahlkampfes verteile, werden sicherlich auch in Zukunft gegossen, geformt und irgendwo auf der Welt zusammengeschraubt. Wenn ich mir als Konsument künftig jedoch eine neue Handy-Schutzhülle kaufen möchte, dann werde ich sie mir bis ins letzte Detail nach meinen Vorstellungen designen und schließlich ausdrucken. Deshalb stellt sich für mich vor allem die Frage, wie das Geschäftsmodell der Zukunft aussehen kann, wenn ich als Unternehmen nicht mehr ein physisches Produkt im Laden oder übers Internet verkaufe, sondern ein Design, eine Idee oder letztlich nur einen Bauplan.
Hier schließen sich viele rechtliche Fragen an – nach dem Urheberrecht, nach Lizenzen und der Produkthaftung, wenn der ausgedruckte Dübel im Wortsinne nicht das hält, was er verspricht. Darüber hinaus bedroht die Entwicklung ein Stück weit die industrielle Fertigung – oder positiv gewendet gibt sie jedem einzelnen Menschen die Gewalt über die Produktionsmittel zurück.
Wer übrigens immer noch denkt, dass sich 3D-Druck auf die Verarbeitung von Plastik beschränkt, der irrt. Gedruckte Organe, die allerdings nur wenige Monate halten, basieren auf Zellen, die neben- und übereinander aufgetragen werden. Metall, Karbon, Porzellan und sogar Holz lässt sich ver- oder besser erarbeiten. Nicht als Plastik, das nur so ähnlich aussieht, sondern als Original-Material mit allen spezifischen Eigenschaften. Dabei kann sogar die Maserung des Holzes nachempfunden werden, indem die Düsen mit verschiedenen Temperaturen das Material auftragen. Das Beste daran: Das Material lässt sich recyclen und immer wieder neu verwenden. Zudem sind Materialmixe mögliche, die aus verschiedenen Düsen aufgetragen werden.
Dahinter steckt nun so viel technisches Knowhow, dass allein bei der Entwicklung der Drucktechnik Experten gefragt sind. Während sich Markus Sturm sicher ist, dass mit jedem neuen Modell und Gerät, mit jeder Anwendung und Nachfrage auch Mitarbeiter in diesen Sektor strömen, würde ich mir eine gezieltere Ausbildung wünschen. Mit unseren Universitäten und Fachhochschulen auf der einen Seite und der dualen Ausbildung auf der anderen Seite haben wir funktionierende Strukturen, in denen eine grundlegende Ausbildung stattfinden kann. Gerade im dualen System besteht die Möglichkeit, neben dem Training-on-the-Job bei den Vorreiter-Firmen der Tech-Branche weitere (theoretische) Fähigkeiten in der Berufsschule zu erwerben.
Daneben muss eine Grundlagenforschung stattfinden, die uns eben nicht von der weltweiten Entwicklung abkoppelt. Schon allein aus Wettbewerbsgründen innerhalb der EU können wir keine Subventionen locker machen, um Unternehmen an den Standort Deutschland zu locken. Und dieser Schritt bringt ja auch keinen dauerhaften Erfolg, zieht die Karawane doch bekanntermaßen von Subventionsoase zu Subventionsoase. Was wir jedoch tun können ist, Fachleute auszubilden, die am Standort NRW einen so guten Job machen, dass die Entwicklungen hier stattfinden und nicht anderswo. Das gilt übrigens nicht nur beim Thema 3D-Druck sondern beispielsweise auch für die Gamesbranche.
Sicherlich lässt sich so manches Job-Profil in der Tech-Branche nur schwer auf einem DIN-A4 Blatt in Worte fassen. Denn meist ist es eine Mischung vieler Fähigkeiten, die sich erst aus der jeweils gestellten Aufgabe heraus entwickelt. So wie schon vor Jahren aus dem Automechaniker ein Mechatroniker wurde, lernt ein Grafikdesigner zusätzlich die Grundlagen einer Programmiersprache und das Storytelling, um letztlich den Charakter in einem Computerspiel entwerfen zu können.
Hier brauchen wir künftig den „Mut zur Lücke“. Statt das Berufsbild bis ins Detail beschreiben zu wollen, um es als anerkannten Ausbildungsberuf im dualen System anbieten zu können, sollten wir einfach anfangen. Am besten gestern.