Welcher Beruf passt zu mir? Diese Frage haben wir uns alle schon mal gestellt. Weil Geld alleine nicht glücklich macht, soll unser Berufsweg auch Spaß machen und persönliche Erfüllung bringen. Als wenn das alles noch nicht genug wäre, stellt sich in Zeiten der Digitalisierung zusätzlich die bange Frage: Welcher Beruf hat denn überhaupt noch Zukunft? Ich sag es euch.
Mein Vater quälte mich früher immer mit seinem Ratschlag: „Junge, geh doch zur Bank. Da kannst du jeden Tag Anzug tragen.“ Schon vor 30 Jahren hörten Teenager da schon weg. Heute sollten sie es allemal, denn der Beruf des Bankkaufmanns wird zunehmend überflüssig. Warum auch sollte man als Kunde eine einzelne Person nach Angeboten eines einzelnen Bankhauses fragen?
Online-Plattformen spucken auf Knopfdruck hunderte Angebote für Kredite, Immobilienfinanzierung oder Versicherungen aus. Inklusive Schwarm-Bewertung und Online-Vertragsabschluss innerhalb von Minuten – immer und überall. Solche Beratungsleistungen werden künftig also nicht mehr vom Menschen erbracht. Der Beruf als Bank- oder Versicherungskaufmann scheint mir deshalb vom Aussterben bedroht.
Was sind Berufe mit Zukunft?
Mir ist das Thema Digitalisierung wichtig. Denn sie verändert unsere Arbeitswelt. Darüber spreche ich mit Kollegen und Sachverständigen in der Enquete-Kommission zur Zukunft der Arbeitswelt. Welche Berufe haben eine Zukunft? Wissenschaftler schauen sich dafür an, wie hoch die Gefahr einer Substituierbarkeit ist. Sprich: Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Tätigkeit ersatzlos wegfällt oder durch Maschinen, Computer und Algorithmen übernommen werden kann?
Das Beispiel der Bank zeigt: Durch die Digitalisierung lassen sich zunächst mal Tätigkeiten automatisieren, die einem immer gleichen Standard folgen. Wer wie eine Maschine arbeitet, kann auch durch eine solche ersetzt werden. Gilt für Lastwagenfahrer, die durch autonome Fahrsysteme ersetzt werden, übrigens genauso wie für Ärzte und Juristen. Ja, ihr habt richtig gelesen: Auch typische Tätigkeiten in Akademiker-Berufen können effektiver durch Computer ersetzt werden.
Beruf kommt von Berufung
Beispiele sind die Hautkrebsfrüherkennung durch Algorithmen oder die Recherche von Paragrafen und Präzedenzfällen durch eine entsprechend programmierte Software. Anders als beim Berufskraftfahrer fällt der Job des Anwalts oder Arztes jedoch nicht komplett weg. Er verändert sich und zeigt dabei auch eine wichtige Grenze bei der Digitalisierung auf: Menschen wollen, dass manche Aufgaben auch von Menschen erledigt werden.
Die Diagnose von Hautkrebs, um im Beispiel zu bleiben, ist das eine. Aber wer wollte sich schon von einem Roboter sagen lassen, dass er oder sie todkrank ist? Das wichtige Gerichtsurteil zu kennen ist eines, aber es in einen Bezug zum vorliegenden Fall zu setzen, bedarf einer menschlichen Fertigkeit, die bislang nur bedingt von Maschinen simuliert werden kann. Das ist die Kreativität!
Kreativität und Mathematik
Bei einer Anhörung im Landtag saß ich mal neben dem Informatiker Alexander Markowetz („Digitaler Burnout“). Auf die Frage, welche Fertigkeiten man im Schul-Unterricht vermitteln sollte, antwortete er schlicht: Kreativität und Mathematik. Denn unsere menschliche Kreativität unterscheide uns immer noch positiv von der Maschine. Und mithilfe der Mathematik begreife man die Informatik und könne durch Software Maschinen das Denken beibringen.
Immer, wenn ich in Diskussionen Markowetz‘ These wiederhole, wird mir heftig widersprochen. Aber das könne doch nicht alles sein! Sicher nicht, aber ohne diese beiden Disziplinen ist alles nichts im Zeitalter der Digitalisierung. Sie schickt sich an, die Welt der Berufe völlig durcheinander zu wirbeln. Jobs und Berufe werden verschwinden. Andere werden sich völlig neu ergeben.
Berufe gehen, Berufe kommen
Doch keine Angst: 50 Prozent der Jobs, wie es eine amerikanische Studie mal prophezeit hat, stehen sicherlich nicht auf dem Spiel. Zumal dort, wo Arbeitsplätze oder vielmehr ganze Berufe verschwinden, ja auch neue entstehen. Den Bierkutscher oder den Nachtwächter, der die Laternen anzündet, gibt es nicht mehr. Den Picnic- und Lieferando-Fahrer ebenso wie den Energie-Händler dafür schon.
Interessant ist, dass in unserer Gesellschaft immer genug zu tun sein wird. Vor allem in den sozialen Beruf, die sich nur schlecht durch Technik erledigen lassen, wird es auch künftig enormen Bedarf geben. Die Frage wird nur sein, ob unsere Gesellschaft diese Arbeitsleistung zu bezahlen bereit ist. Kranken- und Altenpfleger, Erzieher und Lehrer, Sozialarbeiter und Rettungskräfte werden gebraucht. Wir müssen nur zusehen, dass diese Berufe auch ausreichend Anerkennung finden und gut genug bezahlt werden. Sonst will sie niemand ausüben. Doch sicher sind diese Berufe auf jeden Fall.
Fünf Tipps für die Wahl eines Berufs
- Bewahre die Ruhe: Anders als bei meinen Eltern und den Generationen davor heißt ein einmal eingeschlagener Berufsweg nicht, dass man auf ewig in einem Beruf festhängt. Aufgaben innerhalb eines Berufes verändern sich und mit ihnen die Menschen, die den Job erledigen. Man nehme nur den Automechaniker, der heute ein Mechatroniker ist. Und wer weiß, was Menschen eines Tages können müssen, die E-Autos und autonome Fahrzeuge reparieren müssen? Vielleicht sind das dann Mechaformatiker? Deshalb lautet der nächste Tipp:
- Bilde dich fort. Immer! Von „lebenslangem Lernen“ sprechen wir in der Politik gerne. Denn wir merken, dass eine einmalige Berufsausbildung nicht reicht, um jahrzehntelang im Job erfolgreich zu sein. Darauf müssen wir alle uns einstellen und bereit sein, immer noch dazu zu lernen. Gerade in Zeiten der Digitalisierung. Täglich kommen neue Dinge dazu, die uns herausfordern. Nur wenn ich bereit bin, jeden Tag dazu zu lernen, packe ich auch diese Herausforderung – und bleibe damit attraktiv für meine Arbeitgeber oder Kunden.
- Schau genau hin: Wieviel Kreativität steckt in dem Beruf Deiner Wahl? Dabei geht es nicht um Klatschen, Tanzen, Singen. Was ich meine ist, ob bei einem Beruf Eigeninitiative und kritisches Denken gefragt ist. Liegen die Lösungen bei einem Beruf schematisch festgelegt vor Dir? Dann lass die Finger davon. Denn dieser Beruf lässt sich zu leicht von einem Computer oder Roboter erledigen. Geht es aber darum, auch mal ungewöhnliche Lösungen für ein gestelltes Problem zu finden, dann wird dieser Beruf höchstwahrscheinlich nicht von der Digitalisierung bedroht sein.
- Hab Spaß an dem, was du tust: Geld alleine macht tatsächlich nicht glücklich. Das zeigt sich auch daran, dass jüngere Menschen heute schon nicht nach dem Top-Verdienst streben sondern danach, sich selbst verwirklichen zu können. Wie sinnvoll ist meine Arbeit für das Gemeinwesen? Wie gut kann ich mich selber weiter entwickeln zum Beispiel durch Fortbildungen oder einem Sabbat-Jahr? Und wieviel Raum wird mir für mich und meine Familie gegeben?
- Liefer geil ab: Nichts finde ich so schlimm wie Menschen, die sich durch ihre Arbeit quälen und nur soviel tun, wie unbedingt nötig ist. Das ist grauenvoll, zumal wir doch soviel Zeit mit Arbeit verbringen. Bei einem Hobby würden wir doch auch nur das Beste aus uns rausholen. Warum also 40 und mehr Stunden in der Woche mit halbgaren Leistungen verbringen? Oder, um mit einem Filmzitat zu enden: „Ich muss abliefern, du musst abliefern, alle müssen abliefern. Manchmal ist das schön, manchmal ist das nicht so schön. Aber am Ende fragt man sich doch nur, ob du geil abgeliefert hast.“