Die Entscheidung, ab Aschermittwoch sieben Wochen lang zu fasten, fällt mir in diesem Jahr besonders schwer. Aufgrund von Corona müssen wir ohnehin auf vieles verzichten – was bleibt da in der Fastenzeit noch? Die Lösung: Neue Spielräume schaffen!
Lichtblicke im Corona-Alltag
Warum ich persönlich die Fastenzeit für die beste Zeit des Jahres halte, habe ich hier schon mal ausführlich erklärt. Aus einer normalerweise anstrengenden Karnevalssession kommend, sind sieben Wochen ohne Alkohol und Süßigkeiten eher eine Verlockung als Strafe. Anders ist das im Lockdown. Mir fehlen Freunde, Treffen, Einkaufsbummel. Und dann soll ich noch auf das Glas Rotwein und die Tafel Schokolade verzichten? Ja, denn stattdessen werde ich mir 2021 neue Dinge vornehmen, nicht so gute Gewohnheiten versuchen abzulegen, um inmitten der Pandemie Lichtblicke im Alltag zu schaffen.
Die Idee kommt von der evangelischen Kirche, die jede Fastenzeit unter ein Motto stellt. „Spielraum! Sieben Wochen ohne Blockaden“, heißt das Thema 2021 und eröffnet neue Perspektiven. Denn statt nur auf etwas zu verzichten, wollen wir uns neue Spielräume suchen und dabei Blockaden abbauen. Dazu fünf Anregungen und Idee, die ich mir auch selber vornehme:
Spielraum 1: Fit werden!
Die vergangenen Wochen haben mich viel Fitness gekostet. Im Homeoffice war der Weg vom Arbeitszimmer unterm Dach bis zum Kaffeeautomaten im Erdgeschoss oft die längste zusammenhängende Laufstrecke des Tages. Das muss jetzt endlich wieder anders werden. Das Schöne an der Fastenzeit ist ja, dass wir mit ihr langsam in Richtung Frühling marschieren. Das ist der erste Spielraum, den ich mir (zurück) erobern will. Raus in die Natur, um wandern und laufen zu gehen. So oft es eben geht. Ich will die Mittagspausen nutzen, um Runden zu drehen. Und wenn es eben geht, Menschen coronakonform auf einen Spaziergang treffen. Das werde ich mir bei meinen Wochenplanungen vornehmen und in den Kalender eintragen.
Spielraum 2: Gut essen!
Das klingt wie ein Widerspruch: Fit werden und trotzdem gut essen? Für mich gehört beides zusammen und erfüllt noch dazu einen politischen Zweck. In der kommenden Fastenzeit will ich mir den Spielraum schaffen, neue Lebensmittel auszuprobieren und mir schlechte Gewohnheiten abzugewöhnen. Freitags bleibt es bei Fisch oder vegetarisch. Mehr Chancen möchte ich Gemüse geben. Denn „Gemüse ist geil – lasst es uns probieren!“, rät ein inspirierender Artikel bei Krautreporter (hinter der Paywall, aber das Abo dort lohnt immer). Und es bleibt dabei, dass wir als Familie während des Lockdowns einmal die Woche bei einem örtlichen Gastronomen bestellen.
Spielraum 3: Kultur als Seelennahrung!
Den Spielraum Theatersaal oder Konzerthalle werden wir uns leider nicht so schnell wieder zurückerobern können. Das macht das Corona-Virus und seine Mutationen noch einige Zeit unmöglich. Dafür erlebe ich in letzter Zeit den virtuellen Spielraum als wirkliche Entdeckung. Im Internet habe ich live schon die Buchpremiere von Frank Goosens „Sweet Dreams“ mitverfolgt – samt Fragerunde an den Bochumer Schriftsteller. Freitagabends hat die ganze Familie ein Wahnsinnsstück des Jungen Theater Bonn gesehen. Bei „TKKG – Gefangen in der Vergangenheit“ haben die Macher mit all dem gespielt, was online so möglich ist. Von der Couch aus hat die ganze Familie gebannt zugeguckt und das Handy mal liegen lassen. Theater, Konzerte, Lesungen: Das ist alles auch online möglich. Den Spielraum nehme ich mir.
Spielraum 4: Handy weg!
Aufs Smartphone komplett verzichten fällt schon aus beruflichen Gründen schwer. Wobei, auch das ist manchmal nur eine Ausrede, wie der amerikanische Technik-Journalist Canoopsy beweist. In diesem Video zeigt er, wie er die Apps auf seinem Handy aufs Wesentliche reduziert (Youtube-Link) – und das, obwohl er ja von der Auseinandersetzung mit all diesen Medien lebt. Ich werde in den kommenden sieben Wochen feste Zeiten für das Gaffen auf „Facebook & Co.“ setzen. Während der Mahlzeiten und vor dem Fernseher lege ich das Smartphone komplett beiseite. Um vor allem eines zu tun:
Spielraum 5: Mehr Fokus wagen!
Bei allem, was ich tue, möchte ich wieder den Fokus auf diese eine Sache lenken. Wenn ich einen Film schaue, dann checke ich parallel keine Mails oder scrolle durch die Instagram-Timeline. Während ich diesen Text schreibe, verhindert die „Nicht stören“-Einstellung meines Laptops, dass mich Mail- und WhatsApp-Nachrichten stören. Ich will diesen Spielraum zurück, in dem ich meinen Fokus immer nur auf eine Sache lenke. Erst vor wenigen Wochen habe ich gemerkt, was das mit mir macht. Ich komme in einen Flow, wenn ich mich auf eine Sache konzentriere und merke wie bei der Akteneinsicht zum Eyller Berg gar nicht, dass ich dreieinhalb Stunden über einer Sache sitze!
Was wird sein nach 7 Wochen?
Eine Hoffnung verbinde ich übrigens noch mit der diesjährigen Fastenzeit oder vielmehr mit ihrem Ende: Zu Ostern wird die Pandemie sicherlich nicht beendet sein. Dafür stehen wir dann hoffentlich auf einer Art Plateau, von dem aus wir das Ende sehr viel besser als heute am Horizont erkennen können. Die sieben Wochen bis dahin habe ich dann hoffentlich sinnvoll genutzt, um mir neue Spielräume zu schaffen, die mein Leben besser machen.