Uploadfilter und der Artikel 13 erinnern mich daran: Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Daran muss ich aktuell oft denken. Denn am Anfang stand die gut gemeinte Idee, kreativen Menschen zu ihrem Recht – besser noch: Geld – zu verhelfen. Nicht, dass nur die anderen mit Bildern, Musik und Filmen Reibach machen. Auch die Kreativen selbst sollen von ihren Werken profitieren. Das Ziel: YouTube, Google & Co. sollen ein Stück vom Werbekuchen abgeben. Schlecht gemacht aber die Regeln, die die EU nun zu diesem Zweck plant. Denn ein Uploadfilter, der faktisch nötig wäre, um urheberechtsverletzende Inhalte automatisch auszusieben, würde das freie Internet, wie wir es kennen, zerstören.
Der Netzöffentlichkeit ist das schon früh aufgefallen und sie protestiert seitdem heftig unter Hashtags wie #saveyourinternet, #merkelfilter oder #art13. Doch erst als die Aktivisten auf der Straße demonstrierten, wurden viele verantwortliche Politiker auf EU- und Bundes-Ebene wach. Zuvor taten sie die Online-Proteste damit ab, dass es sich hier ohnehin nur um Bots handele und damit um eine Kampagne von Google & Co. Denn die fürchteten das Leistungsschutzrecht. Doch nun sah man reale Menschen, meist jung und politisch interessiert, auf der Straße demonstrieren. Für ein freies Internet ohne Uploadfilter. Ups, wo kommen die denn her?
Artikel 13? Nie gehört!
Erst reichlich spät begann da die öffentliche Diskussion um Artikel 13 und die Uploadfilter. Das es so lange gedauert hat, hat aus meiner Sicht mehrere Gründe:
- Die parlamentarischen Verfahren innerhalb der EU glänzen nicht gerade mit Transparenz und radikaler Öffentlichkeitsarbeit. Und selbst wenn hier offensiver kommuniziert würde:
- Erst wenn einer den richtig großen, roten Alarmknopf drückt, wendet sich die Aufmerksamkeit in Richtung EU. Ansonsten ist den allermeisten von uns oft egal, was da so in Straßburg und Brüssel diskutiert wird. Ein folgenschweres Desinteresse, das sich regelmäßig in geringer Wahlbeteiligung bei Europawahlen niederschlägt.
- Der wichtigste Grund aber aus meiner Sicht: Gerade bei netzpolitischen Themen haben die klassischen Medien einen blinden Fleck. Während Artikel 13 und Uploadfilter bereits seit Wochen im Internet diskutiert wurden und Hashtags wie #saveyourinternet durch die Decke gingen, las und sah man in den Print- und TV-Medien wenig bis gar nichts.
Und dieser Punkt 3 ist es, der mich nachdenklich stimmt. Denn er offenbart eine Lücke im Willensbildungsprozess bei uns Abgeordneten und Parlamentariern. Wer nur auf den täglichen Pressespiegel blickt und meint, daraus ein allgemeines Stimmungsbild ableiten zu können, blendet einen großen Teil der Realität aus. Denn längst gehören nicht mehr nur ARD und ZDF, Süddeutsche Zeitung und FAZ zu den großen Leitmedien. Ich glaube, auch Youtube gehört mittlerweile dazu. Nicht die technische Plattform sondern die zumeist jungen Menschen, die mit ihren Inhalten meinungsbildend sind.
Deren Mobilisierungsmacht bekommen viele Politiker aktuell zu spüren. Haben sie anfangs noch die Briefe und Mails als Produkt automatisch arbeitender Bots abgetan, müssen sie mittlerweile wenigstens zugeben, dass hier Menschen aus Fleisch und Blut ihre politischen Interessen vertreten und vertreten sehen wollen. Damit ist wieder Bewegung gekommen in die Diskussion um Artikel 13 und Uploadfilter auf EU-Ebene. Gut so. Ich frage mich nur: Warum muss man dafür erst laut werden?
Onlinemeinungen zählen auch
Die Lehre aus der aktuellen Diskussion ist für mich, dass Politiker künftig auch online vorgetragene Meinungen und Diskussionen zur Kenntnis und ernst nehmen müssen. Auch die „Profis“, wie Christian Lindner es vielleicht formulieren würde, müssen sich anhören, was Meinung der Menschen ist. Wenn diese, zumeist jüngeren Bürger sich lieber bzw. oft ausschließlich über Youtube, Twitter und Facebook äußern, dann muss das möglich sein. Denn Onlinemeinungen von realen Menschen zählen genauso, wie es die Gespräche auf dem Markt, am Tresen oder auf Parteitagen tun. Dafür muss man nicht immer erst laut werden!
Thema Uploadfilter im Landtag NRW
Auch wenn wir im Landtag NRW in Düsseldorf letztlich nicht über EU-Urheberrechtsverordnung und Artikel 13 abstimmen werden, sollten wir doch ein klares Signal nach Berlin und Brüssel senden. Meine SPD-Fraktion hat deshalb einen Antrag ans nächste Plenum gestellt. Heißt: Wir diskutieren in der kommenden Woche darüber, das Nordrhein-Westfalen in Sachen Digitalisierung viel öfter das Wort ergreifen muss auf EU-Ebene. Wir müssen unseren Einfluss als einwohnerstärkstes Bundesland geltend machen und als Landespolitik zeigen, dass wir Ahnung vom Thema haben!
Wer stimmt denn jetzt für den Uploadfilter?
In der Frage, wer bislang für die Urheberrechtsreform und damit für den Artikel 13 gestimmt hat, gehen die Gräben quer durch (fast) alle Parteien. Auch in meiner SPD gibt es Abgeordnete, die dem zugestimmt haben, aber auch solche, die Uploadfilter rundheraus ablehnen. So wie zum Beispiel Petra Kammerevert aus Düsseldorf, die auf ihrer Internetseite nochmal die Vorteile aber eben auch die gravierenden Nachteile der Reform zusammenfasst. Andere Mitglieder der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament, zu der auch die SPD gehört, müssen wir dagegen noch überzeugen.
Uploadfilter, Artikel 13 und die SPD
Die Bundesregierung und damit auch die SPD-Mitglieder im Kabinett haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als es um die Zustimmung zu Artikel 13 ging. EU-Spitzenkandidatin Katharina Barley hat sie sogar verteidigt. Und das, obwohl der Koalitionsvertrag Uploadfilter generell eine Absage erteilt. Was ist da los, fragen mich deshalb viele Menschen und sind sauer auf die SPD. Das kann ich gut verstehen.
Wichtig: Auch wenn hier wenige Spitzenpolitiker die Richtung bestimmen, so sprechen sie doch nicht für eine ganze Partei. Die Mehrheit sieht es nämlich anders. Mein Landesverband etwa, die SPD in Nordrhein-Westfalen, stellt sich ganz klar gegen Zensur und Uploadfilter. Das SPD-nahe „Zentrum für digitalen Fortschritt – D64“, dem ich auch angehöre, sieht die Sache ebenfalls ganz anders und die Jusos wollen deshalb beim nächsten Parteikonvent der SPD am kommenden Samstag (16.3.19) über die Position abstimmen lassen. Überhaupt: Ich kenne keinen Netz-Politiker, der für die Urheberrechtsreform in dieser Fassung stimmen würde! Es ist also noch Hoffnung, dass sich die Vernunft durchsetzt.
Demos gegen Uploadfilter
So wie beim späten Protest um das Freihandelsabkommen TTIP, liegt es jetzt wieder an uns allen, klare Kante zu zeigen. Das geht am besten durch Protest. (Ja, wir müssen nochmal laut werden!). Deshalb haben zahlreiche Organisationen für den 23. März 2019 zu Demos aufgerufen. Auch bei uns in der Nähe finden diese statt – bei Netzpolitik.org gibt es eine ständig aktualisierte Übersicht der Demos.
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