Meine Woche auf Tumblr: Transparenz, die ich meine

Rund um die Uhr dokumentieren, was man so macht. Termine, Gesprächspartner, Abmachungen: Alles sauber im Netz verzeichnet. Was sich einige sehnlichst für uns Abgeordnete wünschen, ist für mich abschreckend und letztlich demokratiefeindlich.

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In Dave Eggers viel zitiertem Buch „Der Circle“ gibt es die fiktive Kongressabgeordnete Olivia Santos, die sich als erste an einem absoluten Transparenz-Programm beteiligt. Sie hängt sich eine Kamera um den Hals und ist danach bis auf wenige zulässige Ausnahmen 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr online. Auf ihrem Social-Media-Kanal kann die ganze Welt sehen, was sie tut, mit wem sie spricht und was sie letztlich wie entscheidet. Das gebe der amerikanischen Demokratie Vertrauen und Integrität zurück, wird im Buch frohlockt. Kaum begonnen, kann sich diesem Projekt nach und nach kein einziger Abgeordneter mehr entziehen. Wer nicht mitmacht, hat etwas zu verbergen und wird durch Nicht-Wahl abgestraft. Richtig so?

Auch wenn das eine Utopie ist – viel fehlt heute nicht mehr bis zu dem Schritt, wo Volksvertreter komplett alles von sich preisgeben sollen oder wollen. Ich persönlich halte den komplett „gläsernen Abgeordneten“ jedoch für wenig erstrebenswert. Klar, meine Meinung zu politischen Themen sind öffentlich. Meine monatlichen Bezüge als Abgeordneter sind ebenso transparent wie meine Arbeit in weiteren Gremien, die zum Teil auch bezahlt wird. Doch gibt es klare Grenzen der Transparenz, die selbst die Piratenpartei in NRW schon kurz nach ihrem Einzug ins Parlament 2012 erkennen mussten.

Eine Diskussion um gemeinsame Positionen in einer Fraktion kann beispielsweise nicht im Fokus der Öffentlichkeit geführt werden. Wenn eine Kamera jede Fraktionssitzung ungefiltert ins Netz überträgt, verfallen die Akteure in ihre Rollen. Schließlich redet man vor Publikum! Zudem gibt es Themen, die etwa Bürger gerne mit mir persönlich besprechen würden. Da geht es um private Dinge und Probleme, bei denen ich ihnen eventuell helfen kann. Noch ist es kaum vorstellbar, dass sie sich gerne vor der Kamera einer Olivia Santos preisgeben würden. Im Buch von Dave Eggers ist die Gesellschaft jedoch schon weiter und der digitale Striptease an der Tagesordnung.

Wenn ich in der nächsten Woche auf einem eigens von der SPD-Landtagsfraktion eingerichteten Tumblr-Blog von meiner Woche berichte, dann wird dies nicht ungefiltert geschehen. Ich werde den möglichen Wunsch meiner Gesprächspartner nach Vertraulichkeit achten und interne Diskussionen dort lassen, wo sie hingehören. Öffentliches werde ich von Privatem trennen, auch wenn die Grenzen immer mal wieder verschwimmen. Was mir wichtig ist: Ich möchte Euch authentisch zeigen, wie eine Plenarwoche in Düsseldorf abläuft und welche Begegnungen ich dabei habe. Wir haben dafür nicht extra Termine inszeniert oder Komparsen geordert – allerdings habe ich diesmal zugesehen, möglichst viele exemplarische Arbeiten in meine Woche zu packen, damit Ihr seht, womit meine Kollegen und ich uns so beschäftigen. Das ist die Transparenz, die ich meine.

1 Kommentar zu „Meine Woche auf Tumblr: Transparenz, die ich meine“

  1. Hallo Renè,
    auf deine Empfehlung habe ich das Buch „Der Circle“ gekauft. Es liest sich sehr gut und man kann verstehen wie reale Konzern wie Apple, Facebook, Google oder Microsoft u.A. heute schon „ticken“
    „Schöne neue Welt“! oder „1984“?

    Du beschreibst das sehr schön, wie sich eine fiktive amerikanische Kongressabgeordnete „gläsern“ macht …

    Ich widerspreche Dir aber; das das eine Utopie ist. Wir sind längst auf dem Weg dahin: In einem früheren Bericht, ich glaube auf ARTE, konnte ich sehen wie in einer amerikanischen Vorstadt Nachbarn Kameras an ihren Hauswänden (Frontseite) installiert hatten… um die Nachbarn, den Verkehr und auch den Vorgarten zu beobachten. Angeblich zur Sicherheit!!

    Diese Videoaufnahmen wurden u. a. zentral von einer Firma verwaltet. Und an die örtliche Polizeibehörde, zur Verbrechensbekämpfung, weitergeleitet. Weil die dortige Polizei offensichtlich überfordert ist.
    Kommentar überflüssig!!

    Wir sind aber schon auf dem Weg dahin: digitale Telefonie, Smartphone, Internet, Facebook, elektronische Fitnessbänder, Black Box ab 2017? für neue KFZ, usw. Und wir machen alle fröhlich mit. Ich vergass die „Vorratsdatenspeicherung“…

    Heute schreibt „NETZPOLITIK.ORG“, daß der deutsche Bundestag sein Internet für die eigenen Webseiten von der amerikanischen Firma CLOUDFLARE bezieht…

    Sehr interessanter Artikel!!
    Was haben wir da eigentlich für „Politiker?“ gewählt?
    —————————-
    Zurück zum Thema „gläserner Abgeordneter:
    Ich möchte nicht wissen, wann Du mit wem über was gesprochen hast. Oder was Du in welcher Ausschusssitzung gesagt hast.
    Privat schon garnicht.

    Über Landtag NRW kann ich viel über Renè Schneider erfahren, wenn ich das will. Und wenn ich mehr wissen will, kann ich dich in deinem Wahlkreisbüro treffen.

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