Meine Daten gehören mir – das gilt nicht nur für selbstproduzierte Informationen, sondern auch für all jene, die ich als Steuerzahler mitfinanziert habe. „Open Data“ heißen die Datensätze, die seit einigen Jahren von staatlichen Stellen kostenlos Dritten zur Verfügung gestellt werden. Aber wozu soll das gut sein? Das habe ich den Moerser Open-Data-Pionier Claus Arndt gefragt.
Glaubt man dem gemeinnützigen „Center for Data-Innovation“, dann ist Deutschland eine Open-Data-Wüste. Letzter Platz unter den G7-Staaten (Russland ausgenommen). Aber halt, schaut man auf die lokale Ebene, entdeckt man auch in NRW die „kleinen gallischen Dörfer“ wie Köln, Bonn, Aachen und Moers. In Deutschlands kleinster Großstadt ist Claus Arndt die treibende Kraft. Erst vor einigen Wochen hat er einen Hackday auf die Beine gestellt, bei dem Programmierer aus ganz Deutschland gezeigt haben, was man mit offenen Daten so alles anstellen kann. Positive Beispiele wie die Wartezeiten-App fürs Bürgerbüro oder die Lärmkarte habe ich hier im Blog bereits im Zusammenhang mit der digitalen Stadt vorgestellt. Arndts Hackday, den er zusammen mit der Bertelsmann Stiftung veranstaltet hat, hat gezeigt, dass noch viel mehr drin steckt!
Auf bis zu 140 Milliarden Euro bezifferte die ehemalige EU-Kommissarin Neelie Kroes noch vor vier Jahren das wirtschaftliche Potenzial von Open Data in der Europäischen Union. Der praktische Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger, die ja die Erhebung der Daten durch ihre Steuern letztlich finanzieren, ist darin noch gar nicht eingeschlossen. Gute Gründe also auch für Deutschland, der „Open Data Charta“ zuzustimmen – bislang mit recht übersichtlichen Folgen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat im März damit begonnen, offene Daten zur Verfügung zu stellen (derzeit 467 Datensätze von Wahlergebnissen über kommunale Schulden bis hin zu den Todesursachen in NRW). In einem föderalen System wie dem in Deutschland müssen jedoch noch viel mehr Kommunen und Länder sowie der Bund mit all seinen Behörden und Dienststellen an einer Umsetzung arbeiten.
Grundsätzlich bedarf es dafür zunächst offener, maschinenlesbarer Schnittstellen. Als gemeinsamer Standard könnte dafür beispielsweise CKAN definiert werden. Wichtig ist nur, dass alle Ebenen möglichst mit einem einheitlichen Standard in die Veröffentlichung ihrer Daten gehen. Die Stadt Köln hat hierfür einen eigenen Ratsbeschluss gefasst, der den Akteuren in der Domstadt auch deshalb die Arbeit erleichtert, weil sie die nötige Rückendeckung für ihre Mission erhalten.
Denn Vorbehalte gegen Open Data finden sich viele: Rückt die Schulstatistik nicht unter Umständen einzelne Standorte in ein negatives Licht? Legen die Energiedaten öffentlicher Gebäude möglicherweise nahe, dass einige Liegenschaften schlecht in Schuss gehalten wurden? Und wer ist für all das verantwortlich? Transparenz regt nun mal auch zu Diskussion an. Das muss eine Verwaltung wollen und es fällt ihr leichter, dies zu tun, wenn ein Grundsatzbeschluss des Souveräns dazu drängt. Claus Arndt kann sich auch auf einen solchen Beschluss berufen und weiß seine Vorgesetzten hinter sich. Vielleicht ist Moers auch deshalb weiter als andere Städte und Gemeinden, die sich noch gar nicht mit dem Thema befasst haben. Argumente wie die, dass man zu klein sei oder keine spannenden Daten zu liefern hätte, lässt Arndt nicht gelten. Grundsätzlich sei alles interessant, denn erst die mit den Daten programmierte Anwendung sowie ihre Akzeptanz zeige, ob am Ende ein Mehrwert stehe. Übrigens: Die Programmierleistung wird nicht von der Kommune oder Behörde bezahlt. Hier sind (noch vor allem) Idealisten am Werke, die mit den offenen Daten spielen.
Unbestritten ist, dass sich die Veröffentlichung mancher Daten schlichtweg verbietet. Mindestens vier Gründe sprechen gegen eine Publizierung:
- Das Urheberrecht liegt nicht bei der Behörde selbst.
- Es handelt sich um personenbezogene Daten.
- Der finanzielle Aufwand für die Aufbereitung ist zu hoch.
- Durch die Zurverfügungstellung ist ein Einnahmeverlust zu erwarten.
Letzteres ist übrigens regelmäßig bei Geo- und Katasterdaten der Fall. Mit diesen werden ganz ansehnliche Einnahmen generiert, auf die in Zeiten knapper öffentlicher Kassen niemand so schnell verzichten möchte. Das verhindert leider die Erstellung so mancher – vor allem georeferenzieller – Anwendung, die in Zeiten des Mobile Computing das eigentliche Salz in der Open-Data-Suppe ausmachen.
Derzeit wäre es aber schon ein Riesen-Erfolg, wenn mehr staatliche Stellen mitmachten bei Open Data. Dafür ist Claus Arndt als anerkannter Fachmann und versierter Redner angetreten. Und so stehen die Zeichen günstig, dass es schon bald mehr gallische Dörfer in NRW und Deutschland geben könnte.
Bild: Noel Hidalgo, CC BY 2.0