Macht der Angst ein Ende, denn sicher ist sicher!

sicher Polizei

Die CDU in NRW macht gerade Wahlkampf mit dem Thema „Innere Sicherheit“. Der Vorwurf: Es gehen derzeit mehr Polizisten in Pension als neue Beamte auf die Wache kommen. Stimmt. Ändern kann man das nicht sofort, weil Polizisten nicht über Bedarf ausgebildet wurden und jetzt von der Arbeitsagentur weg eingestellt werden könnten. Man muss sie ausbilden. Wer das heutige Problem hätte vermeiden wollen, hätte schon vor Jahren mit mehr Ausbildung beginnen müssen. Das hat Schwarz-Gelb zwischen 2005 und 2010 leider versäumt – und beschwert sich jetzt lautstark, dass NRW nicht sicher sei.

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Deutschland gehört zu den sichersten Ländern auf der Welt. Warum nur ist das gefühlt so anders?

Machen statt meckern: Seit 2010 steigen wieder die Ausbildungszahlen bei der Polizei in NRW. Jahr für Jahr. Leider geht das nur bis zu einem gewissen Punkt, denn junge Polizeianwärter können im Praxisteil nicht zu zehnt im Bus durch die Gegend fahren, sondern müssen realitätsnah im Streifenwagen ausgebildet werden – von Tutoren, die es auch nicht in beliebiger Zahl gibt. Aber als Parlament und Regierung haben wir beschlossen, was wir konnten, um hier die „demographische Delle“ (mehr Pensionäre als Neu-Polizisten) auszugleichen und langfristig sogar mehr Polizisten als bisher zu haben.

Im Jahr 2016 fangen 1.920 Polizeianwärter in NRW ihren Dienst an - soviel wie nie zuvor und die meisten bundesweit!
Im Jahr 2016 fangen 1.920 Polizeianwärter in NRW ihren Dienst an – soviel wie nie zuvor und die meisten bundesweit!

Heißt das nun, dass unser Bundesland in der Zwischenzeit nicht sicher ist? Ganz und gar nicht! Leider empfinden viele Bürgerinnen und Bürger anders. Ein Phänomen, das der Kriminologe Professor Thomas Feltes an der Ruhr-Universität Bochum seit Jahren untersucht: Obwohl die Verbrechensrate tendenziell sinkt, steigt das subjektive Unsicherheitsgefühl. Die Rechercheplattform Correctiv hat hierzu ein sehr aufschlussreiches Interview mit dem Wissenschaftler geführt. Seine Thesen:

  • Obwohl im Vergleich zwischen den Jahren 1996 und 2016 aktuell weniger Menschen Kriminalität am eigenen Leib erfahren haben, ist der subjektive Eindruck ein anderer. Sie fühlen sich nicht sicher.
  • Die Deutschen seien insgesamt ängstlicher als Menschen in anderen Ländern Europas.
  • Die Angst der Deutschen speise sich dabei auch aus Faktoren, die mit Kriminalität erst einmal nichts zu tun haben: wachsende Flüchtlingszahlen, beschleunigte Globalisierung und Krise der EU.

Er kommt zu dem Schluss: „Auch Politik und Medien drehen gemeinsam weiter an der Spirale. Für Politiker ist Sicherheitspolitik ein willkommenes Thema mit einem klaren Gegner und klaren Zielen: weniger Kriminalität, mehr Polizei, härtere Gesetze, mehr Kompetenzen für Ermittlungsbehörden.“

45 Schuss für einen Polizisten: Viel hilft viel?

Das ist die Melodie, die in Wahlkampfzeiten gerne mal gespielt wird, um mehr von allem zu fordern. Das nimmt manchmal abstruse Züge an: Professor Rafael Behr von der Akademie der Polizei Hamburg berichtet etwa in einem sehr hörenswerten Interview im Brand-Eins-Podcast, dass man derzeit in der Hansestadt darüber diskutiere, Polizisten mit einem dritten Magazin zu bewaffnen. Damit hätten die Beamten im Ernstfall 45 Schuss – eine Munitionsmenge, die noch nie von einem einzelnen Beamten im Einsatz abgefeuert wurde. Viel hilft viel?

Ich persönlich möchte mich einerseits nicht verleiten lassen, auf jedes Gefühl, nicht sicher zu sein, ein Schüppchen mehr von allem zu fordern. Auch die Einschränkung von Freiheitsrechten bringt uns, wie die beiden Professoren feststellen, nicht weiter. Im Gegenteil: „Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, wird am Ende beides verlieren.“ Dieser Satz des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Benjamin Franklin trifft den Nagel auf den Kopf.

Ziel: Sicherer sein, statt sich sicher fühlen

Ich trete dafür ein, nichts schön zu färben und gleichzeitig klaren Kopf zu bewahren. Die Dinge nüchtern zu analysieren und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Nicht mit unbestimmbaren Gefühlen kann und darf man Politik machen (um nicht missverstanden zu werden: Empathie gehört schon dazu)! Stattdessen muss ich doch anhand von Fakten entscheiden, oder?

Kurz vor fünf nimmt uns ein Audi A6 mit Tempo die (abknickende) Vorfahrt. Ein paar Sekunden früher und das Auto hätte uns voll mitgenommen. Die Strafe von 25 Euro finde ich da noch moderat.
Im Einsatz mit der Xantener Polizei.

Dazu gehört beispielsweise zu schauen, wie man mehr Beamte auf die Straßen bekommt. Objektiv, indem man wie in meinem Wahlkreis, einen kaum beschäftigten Polizisten wochentags nachts aus der Wache in den Streifendienst bekommt. Eine Entscheidung, die zu Protesten von Bürgerinnen und Bürgern geführt hat, die teilweise von (Kommunal-) Politikern zusätzlich angestachelt wurden. Rational ist das nicht zu erklären. Klar, man könnte es sich einfach machen und sagen: Es bringt zwar nichts, aber lassen wir den Beamten weiter nachts in der Wache, wenn es den Leuten so besser gefällt und sie sich dann sicher fühlen (statt noch sicherer zu sein). Das ist aber nicht mein Verständnis von Politik. Das hieße nach Stimmung und Gefühlen zu entscheiden, nicht nach Rationalität und gesundem Menschenverstand! Wenn etwas nichts bringt, lasse ich es lieber sein.

Nicht das Erwartete, sondern das Richtige tun

In die gleiche Richtung geht auch die Diskussion, ob es beispielsweise im Kreis Wesel richtig war, auf eine Reihe von geleasten Polizeifahrzeugen zu verzichten. Gegenfrage: Kann dadurch auch nur eine Streife nicht fahren oder muss ein Kommissar auf der Wache bleiben, weil kein Wagen zu kriegen ist? Nein! Die Autos waren schlicht über, weil sie

  1. zum Teil nur mit geringen Kilometerleistungen geleast waren und deshalb zum Ende des Vertragsjahres schon mal wochenlang in der Garage stehen mussten, weil sie eigentlich nicht mehr bewegt werden durften.
  2. wie beim TATORT immer einem Kommissar oder einem Duo zugeordnet waren, statt für mehrere Teams und Polizisten zur Verfügung zu stehen. So blieb nach Feierabend der Ermittler der Wagen eben auf dem Parkplatz, statt mit anderen Beamten auszurücken.

Das zu straffen, halte ich für clever und ressourcenschonend – und es ändert auch nichts an Ermittlungserfolgen oder der inneren Sicherheit insgesamt.

Raus aus dem Teufelskreis

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Sicher ist sicher: Auch im Kreis Wesel geht die Zahl der Straftaten zurück. Nur bei den Wohnungseinbrüchen ist das noch anders.

Wir leben in einem der sichersten Länder der Welt. Die Kriminalität ist bis auf die Zahl der Wohnungseinbrüche rückläufig. Dass dennoch soviel über das Thema gesprochen wird, erklärt sich Netzpolitik.org so: „Wer für mehr Sicherheit plädiert, der suggeriert, etwas zu tun, Stärke zu zeigen, gegen die Bösen zu kämpfen, in Aktion zu treten. Gleichzeitig verschlechtert aber die fortlaufende Thematisierung der Sicherheit durch Parteien das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen. Denn wenn über ein Thema so viel geredet wird, dann scheint es ja wirklich ein Problem zu geben. Ein Teufelskreis.“

Aus diesem Teufelskreis würde ich nur zu gerne aussteigen. Denn: „Angst essen Seele auf“.

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