Archive: Wo Datenschutz auch schaden könnte

Rigider Datenschutz ohne Wenn und Aber stößt nicht nur bei Geheimdiensten und so manchem Internetunternehmen auf wenig Gegenliebe. Auch Archivare haben ihre liebe Not mit der Löschung von personenbezogenen Daten. Aus nachvollziehbaren Gründen.

Auch der Brockhaus ist längst ein Fall fürs Archiv (Foto: Bettina Engel-Albustin)
Auch der gedruckte Brockhaus ist längst ein Fall fürs Archiv (Foto: Bettina Engel-Albustin)

Ausgerechnet das „Ausländerzentralregister“, das im Jahr 2000 mit dem wenig schmeichelhaften Big-Brother-Award ausgezeichnet wurde, ist nach Ansicht vieler Archivare eine wichtige Anlaufstelle für eben jene Menschen, die eines Tages nach ihren Wurzeln suchen könnten. Hier fänden sie beispielsweise Daten und Hintergründe für den Zuzug der (Ur-)Großeltern und könnten somit ihre eigene Geschichte genealogisch nachvollziehen.

Dass dieser Weg eines Tages von Migranten beschritten werden könnte, hält auch Michael Hollmann, Präsident des Bundesarchivs, für nicht abwegig. Als Beispiel nennt er die Schiffsregister anhand derer so manch US-Amerikaner die Geschichte seiner Vorfahren, die über den großen Teich ausgewandert sind, nachvollziehen konnte. „Diese Verzeichnisse dienen heute der Identitätsfindung vieler Amerikaner“, weiß Hollmann.

Ähnliches könne sich bei den Nachfahren der so genannten „Gastarbeiter“ oder bei ehemaligen Flüchtlingskindern wiederholen. Hier wäre das „Ausländerzentralregister“ die erste mögliche Anlaufstelle. Leider, so sehen es die Archivare, müssten die Bestände nach gewissen Fristen gelöscht werden. Selbst eine Pseudonymisierung oder Anonymisierung der Daten brächte niemanden weiter. Stattdessen plädieren die Archivare dafür, die Bestände auch in Zukunft sicher aufbewahren zu dürfen und danach nur denen Auskunft zu erteilen, die gesetzlich dazu berechtigt sind. Das könnten etwa die Nachfahren in direkter Linie sein.

Einen weiteren Haken beim Datenschutz sehen Archivare in dem Passus, der auch im nordrhein-westfälischen Archivgesetz dafür sorgt, dass von Behörden „unrechtmäßig erhobene Daten“ nicht archiviert werden dürfen. Was auf den ersten Blick nur logisch und richtig scheint, führt beim Praxis-Check zu Absurditäten: Folgte man nämlich den gesetzlichen Ausführungen, hätten die Bestände der DDR-Staatssicherheit, weil unrechtmäßig erhoben, vernichtet statt archiviert werden müssen. Dies hätte eine Aufarbeitung der Stasi-Verbrechen und eine individuelle Beschäftigung der DDR-Bürger mit ihrer Vergangenheit unmöglich gemacht.

Der Präsident des Landesarchivs NRW, Dr. Frank M. Bischoff, hat deshalb in einer Anhörung vor dem Landtag eine Änderung im NRW-Archivgesetz vorgeschlagen. Nach Ansicht der zuständigen Ministerien könne diese Änderung aber erst dann eingebaut werden, wenn das Landesdatenschutzgesetz dies zulässt. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die Krux: Zwei Gesetze, zwei unterschiedliche Ministerien, das produziert unterm Strich Dutzende von Gründen, warum es hier nicht zu einem Durchbruch kommt.

Dabei muss man aus meiner Sicht den Landes- und Bundesarchiven freie Hand zur sicheren Verwahrung hochsensibler, personenbezogener Daten geben, deren Herausgabe an Einzelne gesetzlich eng geregelt gehört. Und das am Ende zum Wohle, nicht zum Schaden der Betroffenen.

(Foto: Bettina Engel-Albustin)

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