Ich bin wütend. Wütend auf die Manager und Verlagschefs, die es in den vergangenen Jahren zugelassen haben, dass viele Zeitungstitel heute wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand stehen. Redaktionen werden geschlossen, Journalisten entlassen oder, wie jetzt bei der neuen Kooperation zwischen Rheinischer Post und WAZ/NRZ, zu reinen Textverarbeitern degradiert. Dabei werden echte Journalisten mehr denn je gebraucht!
Die Meldung, dass Rheinische Post und Funke Mediengruppe künftig lokale Nachrichten untereinander austauschen und die jeweils kleinere Redaktion die Texte der größeren übernimmt und aufbereitet, schlug bei den Betroffenen ein wie eine Bombe. Gleich werden Erinnerungen wach an die Abwicklung der Westfälischen Rundschau, die nicht mehr viel mehr als eine „Zombie-Zeitung“ ist. Sehr viel mehr ist auch vom hiesigen Modell nicht zu erwarten. Im Gegenteil steht wohl jetzt schon fest, dass beispielsweise die Rheinberger NRZ-Redaktion vor dem faktischen Aus steht. Zwar erscheint weiter ein Lokalteil, der dürfte aber nur noch aus einem Abklatsch der RP-Meldungen bestehen.
Nicht nur für die festen und freien Redakteure eine schlimme Nachricht, spielen die Verantwortlichen mit ihrer Entscheidung doch einmal mehr nur auf Zeit. In einer Phase, in der der Vorsitzende des Zeitungsverleger Verbandes NRW, Christian DuMont Schütte, von einer „Schicksalsstunde der Verlage“ spricht, geht es den Managern allein um Konsolidierung. Sie klammern sich am Status-Quo fest und hoffen auf baldige Besserung. Die Millionen Euro teuren Druckmaschinen, einst die Basis verlegerischer Marktmacht, scheinen nun wie tonnenschwere Mühlsteine um den Hals der Unternehmen zu hängen. Das schnürt finanziell die Luft ab und lähmt anscheinend auch die Entfaltung neuer Gedanken und Ideen, um den teuren Übergang von Print zu Online zu gestalten.
Statt neue Geschäftsmodelle zu entwickeln wird die eigene Energie dafür verschwendet, abwechselnd gegen „Schmarotzer“ wie Google zu wettern oder dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Schuld am Niedergang zuzusprechen. „Angst essen Zukunft auf“, hat Blogger Nico Lumma deshalb schon einmal zurecht analysiert. Doch wann kommt nun endlich der Befreiuungsschlag?
Der journalistische Nachwuchs schlägt längst eigene Wege ein. Schon vor über einem Jahr haben die ersten freien Kollegen damit begonnen, über Crowdfunding die Realisierung ihrer Themen zu finanzieren. Damit haben es die Konsumenten letztlich selber übernommen, ihre inhaltlichen Wünsche zu formulieren und gleichzeitig auch direkt zu bezahlen. Wofür braucht es da noch alte Medien wie die Zeitung? Mittlerweile ist aus der Crowfunding-Plattform ein Online-Magazin geworden, das zum Start über 900.000 Euro von mehr als 15.000 interessierten Abonnenten eingesammelt hat. Wohlgemerkt: Diese Leser haben ein Abo abgeschlossen für ein Magazin, dessen Inhalt und Anmutung sie noch gar nicht kennen. Dennoch setzen sie ihre Hoffnungen in das noch junge Projekt und seine Macher. Krautreporter ist aktuell das „Hoffnungsprojekt für den Journalismus“.
Als ich dieser Tage in Berlin eine Bahnhofsbuchhandlung betrat, freute ich mich über den Anblick der vielen Tageszeitungstitel, die da feilgeboten wurden. Gleichzeitig stieg mir der geballte Geruch von Druckerschwärze in die Nase, wie ich ihn noch aus meiner Zeit als Volontär beim Kölner Stadt-Anzeiger kenne. Ein bisschen Wehmut und Nostalgie kam da auf. Dabei kamen mir wieder die Worte von Amazon-Gründer Jeff Bezos in den Sinn, der mal in einem FR-Interview über das Ende der gedruckten Zeitung philosophiert hat: „Und dann wird es weiterhin einen Platz für qualitativ hochwertigen Journalismus geben, weil die Leute diese Texte und Informationen lesen wollen. Der Journalismus wird nicht verschwinden. In zwanzig Jahren wird es keine gedruckten Zeitungen mehr geben. Wenn doch, vielleicht als Luxus-Artikel, den sich bestimmte Hotels erlauben, als extravaganten Service für ihre Gäste. Gedruckte Tageszeitungen werden in zwanzig Jahren nicht mehr normal sein.“ Auch trotz meiner eigenen Nostalgie muss ich Bezos zustimmen: Journalisten und ihre Arbeit werden auch in Zukunft gebraucht werden – unabhängig vom Verbreitungsweg. Doch was ist mit den Zeitungsverlagen?
Der Riese taumelt. Gefallen ist er noch nicht!
(Bild by Christian Alexander Tietgen (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons)