Rechenschaftsbericht 2.0: Wie ist die Lage?

Als Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen schreibe ich in regelmäßigen Abständen Rechenschaftsberichte. Ich finde, es ist an der Zeit dies nicht mit einem verstaubten Brief zu tun, sondern öffentlich Rechenschaft über meine Arbeit im Landtag, Vorhaben im Wahlkreis und Entscheidungen, die anstehen oder bereits gefällt sind, abzulegen.

Seit 1997 engagiere ich mich in Wahlkämpfen, jeder Wahlkampf ist anders und doch wird mir die Landtagswahl 2017 besonders in Erinnerung bleiben. Während dieser Zeit kam ein Gefühl im Gespräch mit den Leuten bei mir auf: Wir verstehen uns nicht mehr! Im Wahlkampf war mir manchmal, als gebe es eine unsichtbare Schranke zwischen mir und den Menschen, denen ich auf Märkten und Plätzen begegnet bin. Ein Unverständnis nicht nur im inhaltlichen Sinne, wenn ich beispielsweise von Kommunen sprach, statt Städte und Gemeinden zu sagen. Ein Unverständnis auch, weil viele Wählerinnen und Wähler nur noch wenig vom politischen System kennen und wir Politiker in unseren Filterblasen häufig auch nicht mehr spüren, worum es dem anderen tatsächlich geht. Auch intern nehme ich immer wieder wahr, dass wir von denen in Berlin oder auch Düsseldorf sprechen. Davon kann selbst ich mich nicht freimachen!

Meine Lehre aus 2017 war und ist: Wir alle zusammen müssen wieder aufeinander zugehen. Wir müssen versuchen zu verstehen, warum jeder so fühlt und denkt wie er es tut. Dazu gehört Transparenz! Deshalb will ich meinen Rechenschaftsbericht über die Schwerpunkte meiner Arbeit der letzten zwei Jahre hier auf dem Blog veröffentlichen. Auch wenn es nur ein kleiner Baustein ist: Ich hoffe, allen Interessierten so zumindest einen kleinen Einblick in meine Arbeit zu geben und Hürden abzubauen, denn letzten Endes sitze ich für Sie im Landtag!

Warum ich Politik mache

„Wenn Du das nicht für die Menschen da draußen machst, lass es lieber gleich bleiben und geh‘ wieder nach Hause“, hat mir die ehemalige NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft kurz nach meiner ersten Wahl in den Landtag 2012 mit Nachdruck geraten. Damit sind wir beim Kern meiner Tätigkeit und meines Lebens. Das „Warum“ meines ganzen Tuns: So abgedroschen es klingen mag, ich will anderen Menschen dabei helfen, besser durchs Leben zu kommen. Dort, wo sie vor einer Wand stehen und nicht weiterkommen, will ich rüber helfen. Durch meine Erfahrungen, meine Kontakte und mein Gespür dafür, wie sich Probleme lösen lassen. Seit meiner Schulzeit bin ich neugierig auf andere Menschen und auf das, was sie bewegt. Vielleicht bin ich deshalb Journalist geworden. Ich wollte hinter Türen und Köpfe schauen: Geschichten erfahren und niederschreiben. Dieses Geschichtenerzählen ist den Menschen seit Millionen von Jahren eigen – und dem Niederrheiner sowieso. Von diesen Geschichten ist es meist nicht weit bis zu Problemen oder Hindernissen, die sich uns tagtäglich in den Weg stellen. Irgendwann führt das zwangsläufig zu einer Frage: Möchtest Du das nur aufschreiben und anderen davon erzählen, oder möchtest Du daran auch selber etwas verändern?

Die inhaltlichen Schwerpunkte meiner Arbeit

Meine inhaltlichen Schwerpunkte liegen einerseits im Bereich Umwelt und andererseits im Bereich Digitalisierung. Ich bin Mitglied in beiden Ausschüssen und seit 2018 auch Sprecher der Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“. Solche Kommissionen dienen der Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe. Dazu wird der Landtag mit Hilfe externer Sachverständiger rund zwei Jahren die Auswirkungen der Digitalisierung auf die nordrhein-westfälische Arbeitswelt untersuchen und Beschlussempfehlungen erarbeiten.

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz

Kies: Das wohl drängendste Thema derzeit im Wahlkreis aufgrund der geplanten Änderungen am Landesentwicklungsplan durch die schwarz-gelbe Landesregierung. Die Landesregierung feiert sich nach wie vor für ihr drittes „Entfesselungspaket“ und die Wirtschaft freut sich. Aber hat sich mal jemand gefragt, was da genau von der Kette gelassen wird und welche negativen Auswirkungen der entfesselte Kapitalismus hat? Am Niederrhein zeigt besonders das Thema Kies die brutalen Folgen dieser Entfesselung. Mittlerweile haben sich die Bürgerinitiativen, auch die BIs aus Kamp-Lintfort und Alpen, dem Niederrheinappell angeschlossen. Ein Bündnis, das schon einmal gegen den ungezügelten Kiesabbau kämpfte. Ein Hoffnungsschimmer ist das Rechtsgutachten zum Bedarfsbegriff. Das wurde im letzten Monat fertiggestellt. Ergebnis: Es ist rechtlich nicht zulässig, dass der Geologische Dienst des Landes NRW festlegt, wieviel Sand und Kies aktuell abgebaut werden. Aus diesem so genannten Monitoring leitet die Behörde bisher den Bedarf an dem Rohstoff für die kommenden Jahre ab. Das Verfahren war vor Jahren eingeführt worden, um eine objektivere Form der Bedarfsermittlung zu finden, nachdem zuvor die Mengen quasi am Runden Tisch mit der Kiesindustrie ausdiskutiert wurden. Wie schön wäre es doch, wenn die Landesregierung Erfindungsreichtum und Umweltschutz entfesselte, statt blind alle Regeln aufzuweichen oder zu streichen, die der Wirtschaft vermeintlich im Wege sind.

Auch um Bienen, oder Insekten generell, ging es in den vergangenen zwei Jahren häufig. Denn immer mehr Bienen und andere Insekten sterben. „Na und?“, mag mancher denken. Doch das hat fatale Folgen für unser gesamtes Ökosystem. Woran liegt es nun, dass „Biene Maja & Co.“ sterben? Deshalb stellte die SPD-Landtagsfraktion einen Antrag für weniger Pestizide, mehr Forschung sowie Dialog von Wissenschaft, Landnutzern und Naturschutz zum Schutz der Insekten. Doch Maßnahmen bleibt die Landesregierung bisher schuldig. Deshalb ist es umso wichtiger vor Ort selbst mit anzupacken. Kamp-Lintfort ist zum Beispiel der Initiative „Deutschland summt“ beigetreten und hat diverse Aktionen gestartet, um insektenfreundlicher zu werden. Zum Beispiel das alte Modellbootbecken am Pappelsee: das ist jetzt eine Insektenwiese mit Stauden und allerlei anderen Pflanzen, die Biene und Co. lieben.

Ausschuss für Digitalisierung und Innovation

Ob Uploadfilter, Digitalpakt oder E-Government-Gesetz es gibt genug zu tun. Allerdings dient der Ausschuss leider bisher eher als Feigenblatt. Alle Themen, die mit Digitalisierung zu tun haben, sollten aus meiner Sicht in dem Ausschuss zusammen laufen und von Fachpolitikern beurteilt werden. Noch immer finden die jeweiligen Themen jedoch in allen anderen Fachausschüssen ihre Hauptbühne – der A20, so die Abkürzung des Ausschusses in der Gesamtübersicht des Landtags – spielt allenfalls auf kleinem Parkett.

Dass Entwicklungen wie die Digitalisierung nicht nur die großen Unternehmen betreffen, sondern vor allem auch die kleinen und mittelständischen Firmen vergisst manch einer gerne mal. Die neue Technik verändert Berufe, Unternehmen und Abläufe – was wird besser, was schlechter und wo ist politisch Hilfe nötig? Um das herauszufinden, schaue ich mir regelmäßig vor Ort Betriebe am Niederrhein an, die von ihrem Berufsalltag berichten und zeigen, wie sie die Digitalisierung angehen. Unter dem Titel „Zwischen Maloche und Workflow: So arbeiten wir am Niederrhein“ habe ich zum Beispiel Gartenbau Grütters in Sonsbeck oder die Hirsch-Apotheke in Xanten besucht. Eine zentrale Erkenntnis daraus: Wir müssen Digitalisierung gestalten und einen rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmen entwerfen. Letzten Endes jedoch kann Digitalisierung helfen und Betriebe entlasten, indem zum Beispiel Routineprozesse digitalisiert werden, sodass das Fachpersonal an anderer Stelle eingesetzt werden kann.

Enquetekommission: Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen

Es gibt viele Lebensbereiche, in denen die Digitalisierung derzeit vieles verändert. Die größten Umbrüche durch Digitalisierung werden wir in der Arbeitswelt haben. Berufe verändern sich und verschwinden mitunter sogar, während neue Jobs geboren werden. Gewerkschaften müssen ihre Rolle ebenso neu definieren wie die Politik, die etwas regeln muss, was sie heute noch nicht zu 100 Prozent versteht. Die erste kritische Frage im Zusammenhang mit Digitalisierung ist meistens die, wie viele Arbeitsplätze dadurch wegfallen. Schätzungen gibt es viele, aber vorhersagen kann es heute niemand. Die einen meinen, dass es am Ende mehr zusätzliche Arbeitsplätze sein werden. Andere sehen hunderttausende Jobs bedroht. Richtig ist, dass es viele Berufe nicht mehr geben wird in einigen Jahren – so wie es den Schriftsetzer und den Kutscher (so gut wie) nicht mehr gibt. Doch eine Kompetenz nimmt uns keine Maschine so schnell ab: Wir Menschen finden aus komplexen Situationen wieder heraus. Das Unvorhersehbare zu meistern, ist unsere Stärke. Ich hoffe, den Auswirkungen der Digitalisierung durch meine Mitarbeit in der Enquete-Kommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“ bis 2020 besser auf die Spur zu kommen.

Und sonst?

Ich bin gerne im Wahlkreis unterwegs und bleibe dabei auf dem neusten Stand, was die verschiedensten Themen angeht. Ob Entdeckertour durch den Wahlkreis, traditionelle 1. Mai-Wanderung oder Mountainbike-Tour – sportlich war einiges los in den letzten zwei Jahren. Immer noch ein Highlight ist der Besuch der Xantener Muna. Einige Aktionen zum Anpacken gab es auch, wie bei der Pflanzaktion am alten Modellbootbecken in Kamp-Lintfort oder bei verschiedenen Praktika – zum Beispiel bei der Müllabfuhr, dem DRK, in der Landwirtschaft, im Krankenhaus, im Einzelhandel oder auf’m Bau.

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