Berufskolleg – unterschätzte Schulform einfach erklärt

Jeder von uns hat den Begriff Berufskolleg schon einmal gehört. Doch was genau verbirgt sich dahinter? Beim Thema Schule werden die Berufskollegs fast immer vergessen. Warum Berufskollegs so wichtig sind für die berufliche Bildung in Nordrhein-Westfalen, lest ihr hier.

Was ist ein Berufskolleg?

Berufskollegs sind neben den gymnasialen Oberstufen und berufsbildenden Schulen so genannte Weiterbildungsschulen für Erwachsene und gehören damit zur Sekundarstufe II. Hier werden verschiedene Bildungsgänge angeboten, die alle zu einer beruflichen Qualifizierung führen. Sie sind damit Orte der Berufsbildung. Außerdem können Schüler:innen alle Abschlüsse der Sekundarstufe I nachholen und sämtliche allgemeinbildende Abschlüsse der Sekundarstufe II wie zum Beispiel die Allgemeine Hochschulreife erwerben.

Berufskollegs bieten in der Regel die folgenden Bildungsgänge an: Die Berufsschule, Ausbildungsvorbereitung, Berufsfachschulen, Fachoberschule, das berufliche Gymnasium, die Fachoberschule und die Fachschule. Das Berufskolleg hat durch seine Vielzahl an Optionen für jede und jeden etwas zu bieten. Für die Bildungsgänge sind jeweils unterschiedliche Abschlüsse notwendig. Einen Überblick über alle vorhandenen Bildungsgänge und Abschlüsse und welche Voraussetzungen Interessierte erfüllen muss, findet ihr hier.

Das Schulministerium NRW erklärt in dem folgenden Film sehr gut, welche Optionen Schüler:innen am Berufskolleg haben:

Quelle: Schulministerium NRW, https://www.schulministerium.nrw/erklaerfilme. Auf YouTube bereitgestellt von Hanse-Berufskolleg Lemgo.

Berufsschule = Berufskolleg?

An vielen Stellen gehen die Begriffe Berufskolleg und Berufsschule völlig durcheinander. Zur Klarstellung: Berufskollegs sind nicht nur reine Berufsschulen, sie sind Bildungsinstitutionen mit vielen verschiedenen Bildungszweigen. Die Berufsschule ist nur einer dieser Bildungsgänge an den Berufskollegs.

Die Idee für Berufskollegs entstand bereits 1972 in Nordrhein-Westfalen. Im Zentrum stand der Wunsch nach einer Integration allgemeinen und beruflichen Lernens. Aus diesem Wunsch heraus entstand der Plan doppelqualifizierende Bildungsgänge bis hin zum Vollabitur anzubieten. Aus diesem Grund entstanden in den 90er-Jahren die ersten Berufskollegs.

Was kann ich dort lernen?

Auch wenn alle Berufskollegs viele verschiedene Bildungsgänge anbieten, setzen einige der Schulen Schwerpunkte in einem bestimmten Bereich. Es gibt zum Beispiel Kollegs für Technik wie das BKTM in Moers oder für Berufskollegs mit sozialem Schwerpunkt wie das Placida-Haus in Xanten. Je nach angestrebtem Abschluss und Fachrichtung variieren die Bildungsgänge zwischen einem und drei Ausbildungsjahren.

Ihr habt Interesse an einem Berufskolleg anzufangen, wisst aber noch nicht, was genau ihr machen wollt? Dann schaut doch mal auf den Seiten der Berufskollegs im Kreis Wesel vorbei. Dort findet ihr weitere Informationen rund um die angebotenen Bildungsgänge:

Berufskollegs stehen vor einigen Herausforderungen

fehlende Lehrkräfte

Wie auch anderen Schulen fehlt es den Berufskollegs an Lehrkräften. In ihrem Fall ist das Problem besonders gravierend, da die Fachrichtungen aufgrund der immer komplexer werdenden Berufe sehr spezialisiert sind. Oft arbeiten an einer Schule nur ein bis zwei Fachlehrer:innen für einen bestimmten Bildungsgang. Es gibt schlicht kein Lehramt für manche Berufe, viele sind Quereinsteiger:innen, die die Berufskollegs dann bei sich weiterbilden und spezialisieren.

Bei Fachkräften stehen die Berufskollegs immer in Konkurrenz zur Industrie, der deutlich bessere finanzielle Argumente zur Verfügung stehen. Zusätzlich stehen die Berufskollegs mit den anderen weiterführenden Schulen im Wettbewerb um Lehrer:innen. Berufskollegs haben oftmals einen schlechteren Ruf als beispielsweise Gymnasien und haben daher meist das Nachsehen.

Zu wenig Präsenz

Wie schon zu Beginn dieses Beitrages erwähnt, kommen die Berufskollegs in der Öffentlichkeit viel zu wenig vor. Viele (wenn nicht die meisten) Politiker:innen und Beamt:innen haben den „klassischen Weg“ vom Gymnasium ins Studium genommen, daher haben nur wenige Bezug zum System Berufskolleg. Manche sind auch zu alt, um selbst ein Berufskolleg besucht haben zu können. Berufskollegs werden demnach schlecht repräsentiert.

Das Problem zieht sich durch alle Ebenen: Viele Schüler:innen wissen schlicht nichts von den Möglichkeiten, die sie an einem Berufskolleg hätten. im Gespräch mit einem Schulleiter eines Berufskollegs erzählte dieser mir, dass viele Gesamtschulen und Gymnasien natürlich das Interesse hätten, ihre Schüler:innen bei sich in die Oberstufe zu bringen. Daher wird den Berufskollegs oft verwehrt bei den Schüler:innen in der 10. Klasse Werbung für ihre Schulen zu machen.

Heterogenität der Schüler:innen

Da es an den Berufskollegs so viele verschiedene Bildungsgänge und Abschlüsse gibt, ist das Spektrum an Schüler:innen sehr groß. Vom 16-Jährigen ohne Abschluss bis zur 40-Jährigen, die sich weiterbilden möchte, ist alles dabei. Das fordert von den Lehrer:innen und der Verwaltung eine große Anpassungsfähigkeit, um allen Anforderungen gerecht werden zu können. Erste Stunde Ausbildungsvorbereitung, zweite Stunde Leistungskurs Elektrotechnik – das klingt nach einer ziemlichen Herausforderung. Andererseits macht diese Vielfalt den Beruf ja auch so spannend.

Zu wenig Flexibilität trotz Selbstständigkeit

Theoretisch sind Berufskollegs in ihrem Handeln selbstständig, diese Selbstständigkeit wird aber an einigen Stellen immer wieder eingeschränkt. Ein Beispiel sind die Mindestgrößen der Klassen. Sie haben einen sinnvollen Hintergrund. Auf dem Land stellen sie jedoch ein Problem dar, denn fällt an einem Standort der passende Bildungsgang weg, ist der Weg zum nächsten Berufskolleg meist unerreichbar und die Jugendlichen entscheiden sich vermutlich gegen den Bildungsgang. Hier wünschen sich die Schulen mehr Flexibilität, um eigene Lösungen zu suchen und umsetzen zu können. Die theoretische Selbstständigkeit der Berufskollegs sollte weiter ausgebaut werden, sonst ist im ländliche Raum bald keine attraktive Berufsausbildung mehr möglich.

Berufskollegs stärken!

Die SPD-Landtagsfraktion hat mit dem Programm Gute Berufsschule 2030 (angelehnt an das Erfolgsprogramm Gute Schule 2020) bereits angekündigt, dass wir in Berufskollegs als attraktive Lehr- und Lernorte investieren werden. Damit Berufskolleg noch beliebter werden, wollen wir als SPD in NRW die Berufskollegs bestmöglich technisch wie personell ausstatten. Binnen weniger Jahre sanieren, modernisieren und digitalisieren wir deshalb alle Standorte im Land.

Um dem Fachkräftemangel an den Berufskollegs zu begegnen, werden wir die Studienstandorte für das Lehramt an Berufskollegs erhöhen. Durch praxisnähere Studieninhalte soll außerdem die Abbruchquote unter den Studierenden sinken.

Berufskollegs sollen endlich den Ruf bekommen, den sie verdienen. Als Transformationszentren, die jederzeit eingestellt sind auf neu entstehenden Berufsbilder!

Ziel: Fachkräftemangel beheben

Überall in Deutschland herrscht Fachkräftemangel. Durch höhere Ausbildungsquoten und eine bessere Ausbildungqualität hat NRW die Chance, sich wirtschaftliche Vorteile zu erarbeiten und gegen andere Regionen zu behaupten. Dabei geht es nicht nur um Weiterbildung von Arbeitnehmer:innen, sondern eben auch um einen guten Einstieg ins Berufsleben. Der Übergang zwischen Schule und Beruf sollte motivieren und Ansporn bieten, mehr erreichen zu wollen und zu können. Dafür wollen wir als SPD schon bei den Schüler:innen anfangen, indem wir das Erfolgsprogramm KAoA – Kein Abschluss ohne Anschluss weiterentwickeln.

Die berufliche Ausbildung soll insgesamt gestärkt werden, denn sie ist ein Erfolgsmodell in Deutschland. Dennoch wird eine Ausbildung oftmals weniger angesehen als ein Studium. Das wollen wir ändern. Durch Informationskampagnen und die Verbesserung der Standorte der beruflichen Bildung. Dieses Ziel haben wir mit dem Programm Gute Berufsschule 2030 aufgegriffen. Zusätzlich wollen wir Auszubildende Studierenden gleichsetzen, beispielsweise durch ein verbessertes Azubi-Ticket, keine Ausbildungskosten und neuen Azubiwohnheimen.

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