Kraftwerk Voerde: Wie geht’s weiter?

Das Kraftwerk in Voerde liegt weithin sichtbar in der niederrheinischen Landschaft. Obwohl längst stillgelegt bleibt es eine Landmarke. Entschwefelungsanlage, Kühlturm und Kesselhäuser stehen wie eben erst verlassen auf dem Gelände in Voerde-Möllen. Selbst die verbliebenen Topfpflanzen in den Fenstern des Verwaltungsgebäudes scheinen nur auf die Rückkehr der Mitarbeitenden zu warten. Doch die Zeiten des Steinkohlekraftwerks in Voerde sind vorbei. Jetzt wird geplant, wie das Gelände künftig genutzt wird.

Worum geht es?

Das Kraftwerk in Voerde bestand im Grunde aus zwei Kraftwerken. Eine Seite STEAG. Andere Seite RWE. 1969 ging das STEAG-Kraftwerk in Betrieb. In den 1980ern folgte das RWE-Kraftwerk. Dann legte man das gesamte Kraftwerk 2017 plötzlich und für viele überraschend still. Aus wirtschaftlichen Gründen, so die Betreiber. Seit März 2017 ruht das Gelände im Stadtteil Möllen nun, mit direktem Blick auf den Rhein inmitten schönster niederrheinischer Landschaft. Nicht verwunderlich, dass es viele Szenarien und Wünsche für die Folgenutzung des ehemaligen Kraftwerksgeländes gibt.

Lost Place Kraftwerk Voerde?

So verloren wie es (derzeit noch) scheint, ist der Ort gar nicht. Zwar ist sichtbar seit der Trockenlegung der Kraftwerksanlagen und dem Ausbau der noch verwertbaren Technik nicht mehr viel passiert. Aber hinter den Kulissen laufen bereits seit geraumer Zeit die Planungen für eine neue Nutzung der rund 60 Hektar großen Fläche.

PS: Der unbefugte Zutritt ist nicht gestattet. Die Betreiber haben außerdem umfassende Maßnahmen unternommen, um die Anlage gegen unerwünschte Besucher zu sicher. Ob Lost Placer, die hier ihre Fotos machen wollen, oder Diebe: Der Betreiber geht streng gegen Verstöße vor und bringt diese zur Anzeige.

Nachnutzung: Was soll mit dem Gelände passieren?

Die Eigentümer, STEAG und RWE, suchten frühzeitig das Gespräch mit der Stadt Voerde. Gemeinsam sprach man über die Möglichkeiten einer künftigen Nutzung. Die örtliche Politik gab zudem eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. Darin entwickelten Expert:innen mögliche Perspektiven für die Fläche. Die Ergebnisse der Studie stellte die Stadt in einer Informationsveranstaltung am 7. November 2019 vor (hier verlinkt).

Der Verkauf ist mittlerweile abgeschlossen: RWE hat sich das gesamte Areal gesichert (Stand März 2022).

Was könnte auf der Fläche des ehemaligen Kraftwerks entstehen?

Die Machbarkeitsstudie der Stadt Voerde hat drei denkbare Szenarien entwickelt.

  • Vision 1: Ziel des RheinCampus Möllen ist ein klimaneutrales Mischquartier mit Gewerbe- und Wissenschaftspark. Vorstellbare Nutzungen sind zum Beispiel: Gesundheitscampus, Gewerbe- und Technologiepark mit moderner Büro- und Dateninfrastruktur, Hotel-, Wellness- und Freizeitangebote sowie Wohnmöglichkeiten auf Zeit.
  • Vision 2: Die Idee des SmartEnergyHub ist ein Innovationsstandort rund um das Thema Energie. Auf dem Gelände könnte sowohl Energie produziert, als auch direkt durch energieintensives Gewerbe genutzt werden. Überschüsse könnten zum einen gespeichert und zum anderen über den Standort hinaus transportiert werden.
  • Vision 3: Der SilkPort Möllen ist ein emissionsarmes Logistikdrehkreuz und könnte ein zentraler Knotenpunkt der neuen Seidenstraße werden. Auf dem Gelände könnten künftig Rohwaren veredelt, Industriebauteile gedruckt und neue Rohstoffe durch Recyling gewonnen werden. Dank Güterbahnhof und Hafenanleger könnten die Waren zu 70 Prozent über Schienen und Wasserwege transportiert werden.

Bei meinem Besuch vor Ort spielten noch zwei Punkte eine wichtige Rolle. Direkt am Rhein verläuft ein beliebter Radweg. Der muss erhalten bleiben. Zudem wollen die Beteiligten darüber nachdenken, wie die Brückenanlagen zum Rhein genutzt werden könnten. Statt Abriss ein touristisches Highlight: Die Anlage, über die früher Abfälle vom Kraftwerk aufs Schiff verladen wurden, könnte als Skywalk dienen. Im Braunkohle-Revier habe ich sowas schon mal gesehen. Eine irre Aussicht bieten solche hochgelegenen Plattformen. Das wäre ein zusätzlicher Magnet für Touristen und Ausflügler.

Wie läuft der Planungsprozess ab?

Städte und Gemeinden planen nicht im luftleeren Raum. Sie müssen sich in ihren Überlegungen an Vorgaben orientieren. Zum Beispiel am Regionalplan. Den entwickelt die jeweils zuständige Planungsbehörde. Im Kreis Wesel ist das der Regionalverband Ruhr (RVR). Der Regionalplan (REP) soll über Stadtgrenzen hinausblicken. Das Ziel: Gerecht und bedarfsorientiert steuern, wo wie große Flächen für Wohn-, Gewerbe- und Industriegebiete entstehen. Über dem Regionalplan steht wiederum der Landesentwicklungsplan. Den beschließt und schreibt der Landtag NRW regelmäßig fort.

Sobald das Gelände verkauft ist und feststeht wie der Eigentümer es zusammen mit der Stadt Voerde entwickeln möchte, braucht es neues Planungsrecht. Dazu ist zum Beispiel ein neuer Bebauungsplan nötig.

Was ist ein Kooperationsstandort?

Der RVR und die Stadt Voerde möchten das Kraftwerksgelände als Kooperationsstandort ausweisen. An Kooperationsstandorten entstehen – in Absprache mit der regionalen Planungsbehörde – große Gewerbe– und Industrieflächen. Der Vorteil für die Kommunen: Sie bekommen neue Gewerbeflächen, ohne dass diese vom eigentlich errechneten Bedarf abgezogen werden. So gibt die Stadt keine freien Flächen auf.

Wann wird das Kraftwerk Voerde abgerissen?

Aktuell läuft der Planungsprozess, um eine wirtschaftlich tragfähige Lösung zu erarbeiten. Nach den Erfahrungen der Experten brauchen Rückbau und Abriss rund zwei bis vier Jahre. Bürgermeister Dirk Haarmann rechnet damit, dass noch in 2022 mit dem Abriss begonnen werden kann.

SPD-Regierungsprogramm macht Wohnen möglich

Wie mag das wohl eines Tages aussehen, wenn die Kühltürme des Kraftwerks in Voerde nicht mehr stehen? Die Stadt Voerde hat ein riesiges Interesse daran, dass das knapp 60 Hektar große Grundstück so entwickelt wird, dass alle etwas davon haben. Politik und Bürgerschaft haben dies in den öffentlichen Diskussionsrunden einvernehmlich bekräftigt. Das Ergebnis: Eine Mischung aus Industrie und Wohnen am Rhein soll Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft und den so dringend benötigten Wohnraum bringen.

Neuer Stadtteil aus/auf altem Kraftwerk

Aktuell klemmt es aber noch beim RVR, der einen reinen Kooperationsstandort für Industrieansiedlung zulassen und anteiliges Wohnen ausschließen will. Gemeinsam mit Bürgermeister Dirk Haarmann kämpfe ich nun dafür, dass dieser Plan geändert wird und auf 20 Hektar Häuser gebaut werden dürfen. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn im Regierungsprogramm der SPD zur Landtagswahl am 15. Mai 2022 steht, dass wir jährlich 100.000 neue Wohnungen bauen wollen. Dafür braucht es Platz, den wir in Voerde auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände haben. Mit der entsprechenden Vorgabe aus Düsseldorf müsste der RVR seine Pläne entsprechend aktualisieren. Dabei ließe sich ein Teil des recycelten Bauschutts aus dem Kraftwerk direkt vor Ort wiederverwenden. Und aus den Millionen Tonnen Bauschutt, die beim Abriss entstehen, würde recycelter Rohstoff zum Bauen. So entstünde im wahrsten Sinn des Wortes aus dem Kraftwerk ein neuer Stadtteil.

In Voerde können wir den Beweis antreten, dass sich moderne gewerbliche Nutzung und benachbartes Wohnen nicht ausschließen, sondern hervorragend ergänzen können.

9 Kommentare zu „Kraftwerk Voerde: Wie geht’s weiter?“

    1. Zum Zeitpunkt der Stilllegung war das Kraftwerk bereits ca. 45 Jahre alt. Modern ist das sicherlich nicht und bereits 2005 konnten nur mit Mühe und Not umbauten stattfinden, damit man die Umweltbestimmungen noch einhält. Auch angesichts der stetig gesunkenen Stromproduktion scheint das Kraftwerk hinsichtlich Energiesicherheit keinen Mehrwert gehabt zu haben.

  1. Schön dass ihr Bericht “ Kraftwerk Voerde: Wie geht’s weiter, ohne Bewertung und mit evtl. zukünftigen Visionen beschrieben ist.
    Ich stimme ihnen zu das der Radweg am Rhein auf jeden Fall erhalten bleiben sollte. Ist er, auch mit Blick in die Zukunft und der zukünftigen Emschermündung, sicherlich ein gutes Ausflugsziel. Auch die Idee des Skywalk, würde dieser Rheinkurve gut zu Gesicht stehen. Sind wir gespannt welche Vision am Ende real wird.

  2. Vielen Dank für die informative Seite.
    Der Fokus sollte aber auf viele zukunftsfähige Arbeitsplätze für die Region gelegt werden.

  3. Guten Tag.

    Mir als Anwohner würde das 3. Szenario nicht sonderlich gefallen, da dort 30% des Verkehrsaufkommens über die Straße gehen soll.
    Auch im Hinblick auf die unerwünschte Umgehungsstraße B8N.

    Möllen hat da genug geleistet.
    Durch die Nachbarschaft zum Kohlekraftwerk mit Abgas und Lärm.
    Und aktuell: Ableitung des Schwerverkehrs über Dinslakener Starße und Rahmstraße, weil Nachbarkommunen ihre Bundesstraßen nicht Ertüchtigen können.

    Aber wichtig ist. Es muss weiter gehen.
    Meiner Meinung nach wäre es sehr Sinnvoll eine Zwischennutzung durchzusetzen.
    Zum Beispiel finde ich es vorbildlich, wie der Park der Zeche Lohberg durch ein paar Betonaufbauten zu einem tollen „Parkour“ für Jugendliche gestaltet wurde.
    Eine perfekte Zwischennutzung auch für Möllen.

    Vielen Dank
    W.Hoos

    1. Angelika Demir

      Bin mit dem Bau des Kraftwerkes groß geworden und kann mir ohne dieses Wahrzeichen was man schon von weitem sieht, Möllen nicht vorstellen. Bin auf der Leitkamp großgeworden, ein ganz alter Möllner…. Möllen war mal schön mit den ganz alten Geschäften, der Post usw…. Hat sich sehr viel verändert, nicht unbedingt zum positiven. Man hätte die ganzen Häuser Renovieren können und nicht abreißen. Dadurch wird auch das Bild von Möllen nicht mehr das alte sein. Die Steag könnte man so restaurien wie man es mit dem Landschaftspark Nord LaPaDu gemacht hat. Restaurants und eine Spielwiese für Jung und Alt. So etwas braucht unsere Region weil alles andere zu weit weg ist.

    2. Hermann Sperl

      Man kann nicht jeden Industriealtbau erhalten. Im Ruhrgebiet haben wir inzwischen eine reichliche Anzahl an Industrieanlagen, Hochöfen, Zechen, Fördergerüsten, die es ermöglichen nachfolgenden Generationen die Geschicht in all ihren positiven und negativen Aspekten nahe zu bringen. Wir brauchen einen permanenten Strukturwandel auch im industriellen Bereich und dafür auch ehemalige, jetzt brach liegende Industrieareale, um nicht weitere Naturflächen zu verbrauchen. Auch ein wieder näher Zueinanderbringen von Produktion, Wohnen und Handel wäre natürlich optimal!

  4. Sperl, Hermann

    Waren gestern erneut von Gladbeck aus per E-Bike – ab Oberhausen entlang der Emscher – zur im letzten November (2022) eröffneten Emschermündung, um uns die Fortschritte der weiteren Ausgestaltung anzusehen, die aber eher als geringfügig zu bezeichnen sind. Die Weiterfahrt vom Emscherhof zum Einstieg in den Rotbachweg gen Dinslaken/Kirchhellen entlang des Rheins war dann leider in Richtung des Kraftwerks Voerde versperrt, die Fahrt auf der Straße mangels separatem Radweg unangenehm.
    Hinter dem stillgelegten Kraftwerks Koloss haben wir noch etwas die Sonne und den Blick auf den Rhein genossen und uns gefragt, was aus dem Kraftwerk wird. Eine sehr umfängliche Antwort auf unsere Fragen bzw. die möglichen Perspektiven, die Ihr Artikel aufweist klingen interessant, scheinen aber, wie man neueren Informationen entnehmen kann, schon wieder in Teilen überholt, da das RWE nun Besitzer der Gesamtfläche dort ist und in Richtung Grünen Wasserstoff plant, was ja durchaus vernünftig ist. Schön wäre, wenn die Transformation schnell gelänge, die Altanlagen verschwänden -lt. aktueller Berichte Abrissbeginn in 2023.
    Zu wünschen wäre, dass der Radweg ab Emscherhof bald wieder frei gegeben wird und man auch wieder unterhalb des Kraftwerks am Rhein entlang radeln kann.
    Die Idee des Skywalks – kennen wir aus dem Rheinischen Braunkohlerevier- sollte man weiterverfolgen, denn solche Dinge sind Touristenmagnete, zumal so ein in den Rhein vorgeschobener Aussichtsplatz ermöglicht, einen Blick auf die neue Emschermündung zu werfen, die sich hoffentlich schnell weiter zu einem naturnahen Erholungsraum für Flora, Fauna und den Menschen entwickeln wird.

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