Und sie bewegt sich doch!

Der Bericht über meinen Besuch bei der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit war schon fertig geschrieben. Doch was Andrea Voßhoff dann tat, damit konnte keiner rechnen.

René Schneider im Gespräch mit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff.
René Schneider im Gespräch mit der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Andrea Voßhoff.

Der Empfang in dem tristen, kasernenartigen Bonner Bau gerät professionell. Andrea Voßhoff, seit Dezember 2013 Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, merkt man die Erfahrung als Abgeordnete an. Handshake, Small-Talk, nach zwei Minuten fühlt man sich in ihrem Eck-Büro, durch das heute die tief stehende Wintersonne scheint, schon wie zu Hause. Voßhoff erklärt sich schon, bevor meine erste Nachfrage kommt. Bewusst wollte ich nicht damit einsteigen, sie auf die zum Teil harsche Kritik an ihrer Schweigsamkeit anzusprechen. Muss ich auch nicht, Frau Voßhoff reitet von sich aus Attacke.

Man müsse eben nicht zu jedem Thema immer etwas sagen. Sie analysiere lieber erst die Dinge und dabei sei ihr schnell klar geworden, dass es ihrem Haus schlicht an Personal mangele. Sie zählt auf, um wen sie sich alles kümmern müsse: Zig Bundesbehörden muss sie kontrollieren und beraten, mehreren tausend Telekommunikationsanbietern auf die Finger schauen. Jedes Jahr kommen etwa 10.000 Anfragen von Bürgern ins Haus geflattert. Dafür hat sie insgesamt 87 Mitarbeiter in neun Referaten. Das seien nur rund 20 mehr als schon ihr Vor-Vorgänger zur Verfügung hatte. Es leuchte doch ein, dass man mit diesem Personalstamm die Fülle an Aufgaben nicht so erledigen kann, wie die Öffentlichkeit das erwartet, oder?

Noch so ein Kritikpunkt an Andrea Voßhoff: Statt sich für den Datenschutz stark zu machen, kämpfe sie lieber um neue Stellen. Richtig ist dieser Kampf, aber man kann doch trotzdem auch andere inhaltliche Themen ansprechen, oder?

„Das tue ich doch.“

„Zur wieder auflebenden Forderung nach einer Vorratsdatenspeicherung in Deutschland haben Sie sich auch nach Tagen nicht geäußert.“

„Doch, ich habe ein Interview im Mittagsmagazin gegeben.“

Als ich fragend schaue, ergänzt die Bundesbeauftragte: „Als Abgeordneter hat man vielleicht nicht die Zeit, tagsüber Fernsehen zu schauen.“

Ohne die journalistische Relevanz des Mittagsmagazins in Frage zu stellen, rege ich an, Positionen zu solch wichtigen Fragen eventuell auch durch eine Pressemitteilung zu flankieren. „Wer schreibt, der bleibt“, weiß ich aus meiner beruflichen Vergangenheit als Journalist einigermaßen fachkundig zu berichten. Dass die Informationen von Seiten ihrer Öffentlichkeitsarbeit so spärlich getröpfelt sind, habe auch daran gelegen, dass ihre Pressesprecherin Mutter geworden sei und ihre Vertretung während des Mutterschutzes erst mit mehr als einem halben Jahr Verspätung eingestellt werden konnte. Öffentlicher Dienst eben.

Eine Woche später meldet sich Andrea Voßhoff auch außerhalb des Mittagsmagazins zum Thema Vorratsdatenspeicherung zu Wort. Als Bundestagsabgeordnete hatte sie der anlasslosen Überwachung noch zugestimmt. Jetzt, in ihrer neuen Aufgabe, bleibt ihr eigenlich nur zu widersprechen. Und das tut sie dann endlich auch öffentlich und mit einigermaßen Nachhall: „Ich sehe nicht, dass eine Vorratsdatenspeicherung mit den strengen Auflagen des EuGH noch den Effekt erzielt, den die Sicherheitsbehörden mit diesem Instrument erreichen wollen.“ Diese Position hatte sie auch in unserem Gespräch vertreten. Wer genau hinschaut, dem fällt auf, dass Frau Voßhoff damit nicht ihre eigene Entscheidung als Parlamentarierin in Frage stellt. Die VDS nennt sie nicht schlecht. Nur unter den Auflagen des EuGH macht sie nicht mehr den Sinn, den Sicherheitsbehörden ihr beimessen. Also kann man sie auch gleich sein lassen. Wachsweich, aber immerhin eine Position.

Auf einen Facebook-Auftritt verzichtet die Datenschutzbeauftragte aus nachvollziehbaren Gründen komplett. Und auch auf Twitter lassen sie oder ihre Sprecherin sich nicht sehen. Keine gute Basis, um Themen zu setzen und Positionen an den Mann zu bringen. Es wirkt so, als haderten sie und ihr Haus mit der schönen neuen Welt. Wer im Netz ein Foto von Andrea Voßhoff sucht, findet nur eine Aufnahme von 2009, die sie noch als Abgeordnete zeigt. Neueres Material, das frei verwendbar etwa von ihrer Behörde online gestellt worden wäre, gibt es nicht.

Galerie der Datenschutzbeauftragten
Hängt in der Galerie ehemaliger Datenschutzbeauftragter am Dienstort Bonn: Voßhoffs Vorgänger Peter Schaar.

 

Das fällt auch deshalb auf, weil ihr Vorgänger Peter Schaar stets und immernoch omnipräsent ist in der Öffentlichkeit. Er bediente bis zur letzten Änderung der Datenrichtlinien das soziale Netzwerk Facebook sowie Twitter, ist gern gesehener Gast in Veranstaltungen und Diskussionen zum Thema Datenschutz.

Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Andrea Voßhoff (1998 bis 2013) redet viel und packt dabei ihre Positionen und Kernaussagen in dicke Wortpakete. Wer diese Schicht um Schicht freilegt, findet auch Vermeldenswertes. Zum Safe-Harbor-Abkommen mit den USA etwa. Die EU habe einige wichtige Nachfragen gehabt, die sie eigentlich bis Sommer 2014 vom Großen Bruder beantwortet haben wollte. Doch bislang fehle jegliche Reaktion. Still ruhe der See. Das ärgert Andrea Voßhoff in unserem Gespräch.

Wenige Tage nach meinem Besuch in Bonn fährt die Bundesdatenschutzbeauftragte auch zu diesem Thema öffentlich klare Kante: „Die Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der US-amerikanischen Regierung zu Safe Harbor kommen offenbar in den entscheidenden Fragen nicht voran. Ich rufe die Verhandlungspartner EU-Kommission und US-Regierung auf, die bestehenden Chancen für datenschutzgerechte Lösungen zu ergreifen. Ein Scheitern der Verhandlungen kann das Aussetzen von Datentransfers in die USA durch Datenschutzaufsichtsbehörden und damit erhebliche wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Die neue Pressesprecherin der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit scheint ihre Arbeit aufgenommen zu haben. Und auch Andrea Voßhoff gibt nun Volldampf und liebäugelt nicht mehr mit einer Rückkehr in den Parlamentsbetrieb. Dazu hätte sie Anfang Februar die Gelegenheit gehabt, als bekannt wurde, dass Staatssekretärin Katherina Reiche in die Wirtschaft wechselt und damit dem nächsten Kandidaten auf der Reserveliste des Landes Brandenburg Platz macht. Das wäre Andrea Voßhoff, die jedoch umgehend ausrichten ließ, dass sie ihren Job als Bundesbeauftragte für den Datenschutz nicht aufgeben wolle.

So darf sie sich auch künftig zu Fragen wie diesen äußern: Verstößt eine Meldepflicht für Prostituierte gegen den Datenschutz? „Man soll immer sofort etwas zu allem sagen. Das liegt mir nicht. Ich bevorzuge einen koordinierten wissenschaftlichen Ansatz“, klang es in unserem Gespräch in Bonn noch verteidigend. Vielleicht hat sich Andrea Voßhoff im vergangenen Jahr aber auch einfach nur von ihrer alten Rolle als Abgeordnete gelöst. Statt immer ins erste Mikrofon sprechen zu müssen, um durch markige Sätze und Medienpräsenz wiedergewählt zu werden, könnte sie künftig eine überlegtere Kommunikation pflegen wollen.

Die „Stiftung Datenschutz“ mit Sitz in Leipzig bringt sie in diesem Zusammenhang als möglichen Think Tank für Abgeordnete und die Öffentlichkeit ins Gespräch. Ein schöner Gedanke, dass sich eine öffentlich finanzierte Stiftung ohne das Dazutun privater Stifter mit Eigeninteressen (s. Google) die Zeit nimmt, um über Entwicklungen beim Datenschutz nachzudenken und zu beraten. Allein, es wird eine fromme Hoffnung bleiben, da die Stiftung derzeit „am ausgestreckten Arm verhungert“. Aber es ist gut, dass sich die Bundesdatenschutzbeauftragte solche Gedanken macht und Diskussion darüber anstößt.

Denn still darf eine Datenschutzbeauftragte nicht sein. Wohlüberlegt jedoch immer gerne.

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