Selektoren waren gestern

Eine Firma aus Aachen hat sich gestern bei uns im Landtag vorgestellt. Nach einer Dreiviertelstunde war für mich klar: Cognesys dürfte sich bald schon auf der Übernahmeliste von Google & Co. wiederfinden.

Zwischen Erkennen und Verstehen klafft nicht nur bei so manchem Menschen eine riesige Lücke. Auch Computerprogramme erkennen ganz leicht Begriffe, die man ihnen zuvor beigebracht hat. Die Wörter KZ und Auschwitz etwa lassen sich im Internet ohne Weiteres auslesen. Die eigentliche Arbeit für Strafermittler etwa beginnt jedoch erst danach. Denn beide Wörter lassen sich in einem Bericht über die Gedenkfahrt einer Schulklasse ebenso wiederfinden wie in einem Hetz-Post von Neonazis. Hier beginnt die Arbeit von Cognesys.

PlatineDeren Programme erkennen nicht nur kritische Wörter, sondern verstehen auch den Sinnzusammenhang, in dem diese stehen. Ursprünglich hilft die Aachener Firma damit beispielsweise Anbietern aus dem Mobilfunkbereich: „Drei Tage keine Internetverbindung – toll, Vodafone!“ Die Ironie hinter diesem Satz erkennt das Computerprogramm sofort. Der Kundensupport kann sich daraufhin gezielt mit dem enttäuschten Kunden und seinem Problem auseinandersetzen. Diese Vorauswahl spart Arbeit und versetzt so manche Firma überhaupt erst in die Lage, kritische Rückmeldungen aus allen Winkeln des Internets zu erfassen. Wobei das so auch nicht ganz stimmt, denn Cognesys grast nicht das komplette Netz ab sondern nur jene Seiten, die dem Auftraggeber wichtig sind.

Anwendungsbereiche für das so genannte „automatisierte semantische Monitoring“ gibt es viele. Die Arbeit der Spezialermittler beim Landeskriminalamt könnte durch solche Vorfilterung von Inhalten erheblich vereinfacht werden. Statt mühevoll Seiten nach strafbaren Inhalten durch zu scrollen, bekäme die Cybercrime-Abteilung nur noch die Beiträge auf den Schirm, die mutmaßlich ein Offizialdelikt darstellen.

Wie bei jeder „scharfen Waffe“ könnte diese natürlich auch missbräuchlich genutzt werden. Denken wir nur mal daran, um wie viel effektiver die Cognesys-Software so genannte Selektoren auslesen könnte. Statt bei jeder Nennung von „Bombe“ und „IS“ gleich Alarm zu schlagen und beispielsweise mich als Autoren dieser Zeilen ins Visier der Terrorfahndung zu nehmen, könnten die Kräfte sinnvoller eingesetzt werden – auf Kosten der Privatsphäre, wenn sich das „semantische Monitoring“ nicht auf öffentlich zugängliche Inhalte sondern auf private Kommunikation stürzt.

Insofern bin ich mir sicher: Wenn nicht Google & Co. für zivile Anwendungen Gefallen an der Aachener Hightech-Firma finden, dann wird es früher oder später irgendein Geheimdienst dieser Welt tun…

Bildquelle: Flickr (CC BY 2.0)

 

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