Mein Pulver bleibt im Fass – bis ich weiß, worauf ich schieße!

Und es begab sich zu einer Zeit, da sich alle Bürger einer Stadt versammelten, um ihren Herzog mit Kanonendonner zu begrüßen. Es war ein wichtiger Tag, auf den alle lange gewartet hatten. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Beflügelt von Vorfreude hatten sie alles richtig machen wollen und scheiterten dann grandios an sich selbst. Dieser Tag war unauslöschlich in die Geschichte eingegangen. Noch die Kinder und Kindeskinder erzählen davon ihren Nachkommen.

Kanoniere beim Hornberger Schießen
Kanoniere beim Hornberger Schießen. Quelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, CC BY 3.0

„Er ist gleich da“, hatte derjenige unter ihnen vom Turm gerufen, der die besten Augen hatte. Die Staubwolke der herzoglichen Kutsche sei, so erläuterte er eifrig, in der Ferne zu sehen. Die erfahrensten Kanoniere waren vor das Tor getreten und hatten zum Salut des Verehrten die Lunten entzündet. Doch alsbald wurden die Gesichter lang und länger. Nicht der Herzog, sondern ein Postkutscher rumpelte in die Stadt. Schon bald aber tönte es erneut von der Ankunft herab. Eine Staubwolke unüberschaubaren Ausmaßes stob gen Himmel. „Das ist des Herzogs Kutsche“, versicherte der Ausguck. Mit Stolz taten die Kanoniere ihr Werk, doch ehe der Donner der Kanonen verklungen war, machte sich blankes Entsetzen breit. Nicht des Herzogs Gestalt, sondern das des Krämers fuhr in die Stadt. Sein Lachen war das einzige all überall und die Scham färbte die Gesichter der Wartenden tiefrot.

Alle meinten, es könne nicht mehr schlimmer kommen. Ein fataler Irrtum. Beim nächsten Ruf warteten sie solange mit dem Kommando zum Salut, dass es kaum noch einen Funken Zweifel gab. Diese riesige Staubwolke am Himmel konnte nur vom Herzog und seinem Tross zeugen. Ein drittes Mal feuerten die Kanonen. Dieses Mal war es eine Rinderherde, die nun unter dem Staub stob. Dies lenkte für einige Momente von dem unsäglichen erneuten Irrtum ab. Gerade solange, bis plötzlich des Herzogs Kutsche überdeutlich ins Blickfeld der Menschen rollte. Eiligst luden die Schützen … Doch nein. Die Pulverfässer offenbarten nichts außer dem hölzernen Grund. Das Pulver war gänzlich verschossen. Es war der Tag, an dem die Schmach einer ganzen Stadt als das Hornberger Schießen in die Annalen einging.

Hornberg ist überall. Im Moment warten alle mit geladenen Kanonen auf die Ankunft des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung (VDS). Unruhig legen die Piraten bereits Feuer an die Lunte. Viel zu früh. Den konkreten Gesetzentwurf zur VDS werden wir beraten und diskutieren – als Landespolitik am Ende jedoch nicht abstimmen. Davor gibt es aber noch genug Gelegenheiten, die Kanonen gegen eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung zu richten.

Das Hornberger Schießen fand 1564 statt. Zeit genug, um etwas daraus gelernt zu haben: Das Pulver wird erst dann verschossen, wenn es drauf ankommt!

Bild: Landesarchiv Baden-Württemberg, CC BY 3.0

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen